Originalprotokoll aus dem Jahr 1956

Aktennotiz über den Ablauf der 700-Jahr-Feier in Hermsdorf (Thür.) am 25. und 26. August 1956

Sonnabend, dem 25. August 1956, morgens 08:00 Uhr, steht das Barometer auf 744 Millibar, es sind 12 Grad. Der Himmel hat seine Schleusen geöffnet. Es regnet sehr stark und eine heftiger Wind ist aufgekommen. Nach der Wettervorhersage des Rundfunks sieht es für Hermsdorf nicht besonders rosig aus.
Der staatliche und genossenschaftliche Handel hat Vorbereitungen am Rathausplatz und verschiedenen anderen Stellen im Ort getroffen und fährt die ersten Lebensmittel usw. bereits an. In den Geschäften im Ort ist Hochbetrieb. Die volkseigenen und privaten Betriebe arbeiten nicht. Im Rathaussaal selbst werden die letzter. Vorbereitungen für die Veranstaltung mit dem Rundfunk getroffen. Der Kollege Kutzner vom staatlichen Rundfunkkomitee ist am Sonnabendmorgen in Hermsdorf, um den Stand der Vorbereitungen nochmals zu überprüfen. Er fährt um 09:00 Uhr wieder nach Gera zurück. Es regnet immer noch.
Der Ort selbst bietet ein festliches Bild. Fast sämtliche Straßen im Ort sind mit unzähligen Fahnen und Fichten, geschmückt. Die Häuser tragen ein festliches Kleid, denn die Einwohner haben sich die größte Mühe gegeben, um mit Farbe und Girlanden das ihrige zum dem Fest zu tun. Vormittags um 10:00 Uhr erscheinen die ersten ehrenamtlichen Helfer, um eine Anzahl von Plaketten in Empfang zu nehmen, die an den Ortseingängen, an den Geleitstellen, vertrieben werden.
Das Barometer steigt wieder stark und zwischen 10 und 11 Uhr hört auch der Regen auf. Im gleichen Moment werden die Straßen auch belebter. Gegen 12:00 Uhr kommt die Sonne das erste Mal durch. Der starke Wind allerdings bleibt bis zum späten Nachmittag. Mehrere Fahnen reißen von der Stange ab. Auf dem Rummelplatz am Rathaus ist am Nachmittag schon Hochbetrieb. Die Roste brennen an verschiedenen Stellen und man kann jetzt schon am Sonnabendnachmittag von einer Feststimmung zu 700-Jahr-Feier sprechen. Im Zimmer 1 im Festbüro ist jetzt schon stets viel Arbeit. Der Umsatz der Plaketten ist jedoch nur mäßig und der Vertrieb der Broschüren äußerst mangelhaft. Man hat den Eindruck, dass die ehrenamtlichen Helfer die Sache nicht richtig anfassen und vielleicht auch nicht den richtigen Ton finden, diese beiden Dinge abzusetzen. In vielen Fällen mag es auch die Bequemlichkeit sein, dass diese beiden Sachen so schlecht abgehen.

Die Heimatausstellung ist ab 10:00 Uhr geöffnet und sie wird sehr, sehr stark besucht. Die Kritiken der Besucher sind sehr gut.

Die Führungen in der Keramische Fachschule sind sehr stark besucht man findet hier besonders sehr viele Gäste, die sich zur 700-Jahr-Feier bei Angehörigen in Hermsdorf aufhalten. Im Kulturraum im Rathaus sind die Gewinne der Tombola aufgestellt und zur Besichtigung freigegeben. Dieser Raum wird sehr stark besucht und der Umsatz der Lose findet hier eine nochmalige Steigerung. Es werden gerade an diesem Ort nochmals einige tausend Lose verkauft. Um 15:00 Uhr werden der Rathaus- und Kulturhaussaal geöffnet zum Einlass für die erste Veranstaltung mit dem Staatlichen Rundfunkkomitee. Die Künstler sind bereits um 13:00 Uhr in Gera abgeholt worden. Diese Veranstaltung, die um 15:30 Uhr beginnt, wurde kurzfristig noch eingeschoben, weil die Nachfrage zu dieser Veranstaltung seht groß gewesen ist. Die Künstler treten abwechselnd, einmal im Rathaus und einmal im Kulturhaus, auf und es war notwendig dass ein Pendelverkehr mit PKW eingerichtet werden musste. Dieser war jedoch besonders schwierig, weil Fahrzeuge an diesem Tage schlecht aufzutreiben sind und es bedurfte größter Anstrengung, um die Veranstaltung selbst nicht platzen zu lassen. Die Kostüme vom Kostümhaus in Erfurt sind am Donnerstag abgeholt worden. Herr Wagner mit seinen Angestellten hat die Kostüme am Donnerstag und Freitagvormittag in der Turnhalle aufgehängt und am Freitagnachmittag wurden die ersten Personen bestellt zur Anprobe. Diese wurde am Sonnabend ab 09:00 Uhr fortgesetzt bis abends 18:00 Uhr. Die Organisation der Einkleidung war sehr gut und es sind keine Differenzen irgendeiner Art aufgetreten. Herr Wagner hat bestätigt, dass alles sehr gut vorbereitet war. Kurz nach 20:00 Uhr begann die 2. Veranstaltung des Staatlichen Rundfunkkomitees. Bei dieser Veranstaltung waren beide Saale brechend voll und man hat allgemein nur gute Kritiken über die Darbietungen gehört. Die Kuckucksdiele ist probeweise am Freitagabend offen gewesen. Der Umsatz an diesem Abend betrug über 500,- DM und man kann besonders hervorheben, dass diese Gastwirtschaft, die nur zur 700-Jahr-Feier in eigener Regie des Festausschusses eröffnet wurde, sehr guten Anklang gefunden hatte.

Vom Bahnhof, von den ankommenden Zügen, kommen sehr viele Besucher. Nach Lage der Dinge ist mit einem Rekordbesuch zu rechnen. Sonntag, dem 26.08.1956: Höhepunkt der 700-Jahr-Feier Der Fanfarenzug beginnt um 5:30 Uhr mit dem Weckruf. In Kostümen des 16. Jahrhunderts marschieren 40 Jugendliche als Trommler und Fanfarenbläser durch die Straßen Hermsdorfs. Der Fanfarenzug hinterlässt in seiner Aufmachung und durch sein gutes Spiel einen besonderen Eindruck und man kann es als einen sehr würdigen Auftakt für den Sonntag bezeichnen. Das Wetter ist glänzend. Die Temperatur beträgt morgens 160 kein Wölkchen befindet sich am Himmel und auch der Wind ist nur mäßig. Es ist also mit einem guten Ablauf des Tages zu rechnen. Am Bahnhof in Hermsdorf steigen viele hunderte Besucher aus, um an den Festlichkeiten mit teilzunehmen. Die Kolleginnen und Kollegen des staatlichen und genossenschaftlichen Handels sind schon zeitig auf den Beinen. Der VEB Kraftverkehr hat Sonderfahrten im Linienverkehr und außerplanmäßige Fahrten eingesetzt. Im Festbüro ist Hochbetrieb, denn ab 08:00 Uhr sind die ersten ehrenamtlichen Helfer an den Geleitstellen und im Ort dabei, Prospekte und Plaketten zu vertreibe. Um 08:30 Uhr beginnt das Platzkonzert am Rathaus mit 50 Musikern. Die Ehrentribüne gegenüber dem Rathaus ist um 08:00 Uhr aufgestellt. Die Ankleidung der Mitwirkenden für den Festzug beginnt um0 9:00 Uhr in der Turnhalle. Alles ist bestens vorbereitet. Um 9:30 Uhr ist der Saal für die Festsitzung geöffnet. Die Sitzung selbst beginnt um 10:00 Uhr. Der Saal ist brechend voll und die Tür muss abgeschlossen werden. Die Gemeindevertretung und die ihre Ehrengäste haben an der Tafel unterhalb der Tribüne Platz genommen. Die Kurkapelle von Bad Klosterlausnitz in Streicherbesetzung beginnt mit einen Musikstück kurz nach 10:00 Uhr. 

Die Heimatausstellung wird am Sonntag um 10:00 Uhr eröffnet. Der Besuch ist beängstigend stark. Es ist mit einer Rekordbesucherzahl zu rechnen. Die Einkleidung der Mitwirkenden in der Turnhalle geht fast reibungslos vor sich und der Theaterfriseur von Erfurt hat inzwischen auch mit der Arbeit begonnen und die ersten Personen fix und fertig gemacht. Es ist fast nicht möglich, die Einzelnen wieder zu erkennen. Die Stimmung im Schulhof und einigen Schulklassen ist sehr gut und man hat den Eindruck, dass alle, bis auf einige Ausnahmen, ganz bei der Sache sind. Eines ist jedoch bedauerlich, dass sich kaum einer von den betreffenden Ausschuss auf dem Schulhof aufhält und die anfallenden Arbeiten und auftauchenden Fragen vorwiegend von Kollegen Hühn und Rosenkranz erledigt werden müssen. (Die Ausschussmitglieder Zidella und Weiß sind zur Festsitzung). Nach Schluss der Festsitzung, gegen 11:30 Uhr, begeben sich die Ehrengäste zur Heimatausstellung, um danach ein gemeinsames Mittagessen im Ratskeller einzunehmen. Tausende von Menschen befinden sich bereits in Hermsdorf auf den Beinen und man kann schon davon sprechen, dass sie sich einen Platz wählen, um der Festzug anzusehen. Gegen 13:00 Uhr sind die Einkleidungen in der Turnhalle beendet und man beginnt, die einzelnen Gruppen zusammenzustellen. Auch hier zeigt sich wieder, dass von dem zuständigen Ausschuss sich kaum jemand energisch darum bemüht, so dass die Hauptarbeit auf den Schaltern von Kollegen Hühn, Steiding, Eckardt und Rosenkranz liegt. Nur die Kollegen Herbert Plötner und Otto Winkler und im gewissen Sinne Martha Günther greifen helfend ein. Es war nicht so einfach, die einzelnen Gruppen im Schulhof zusammenzustellen, weil sich viele in ihrer Begeisterung und Freude mit Bekannten unterhielten und sich über die Schönheit der Kostüme freuten und amüsierten und sich den Fotografen stellten. Kurz nach 13:00 Uhr begeben sich schließlich die ersten Gruppen zu ihren Stellplätzen in der Schulstraße. Die Fuhrleute fahren mit den ersten Festwagen an. Es macht sich doch besonders hemmend bemerkbar, dass unzählige Hermsdorf Einwohner und Besucher die Schulstrasse bevölkern, um bei der Aufstellung des Festzuges zugegen zu sein. Es musste jedoch erst scharf durchgegriffen werden, um hier einigermaßen Luft zu schaffen. Der Fanfarenzug stellte sich an Anfang der Schulstrasse auf, während das letzte, Bild " Gesellschaft für Sport und Technik" am Ende der Schulstraße stand. Es hat viel Lauferei und Nerven gekostet, bis die einzelnen Bilder standen und es war dies nur möglich, weil die vier oben genannten Personen sich so intensiv damit befassten.

Gegen 13.45 Uhr war der Festzug fertig aufgestellt. Drei Fanfarenbläser und der Herold mit seinen Reitern begeben sich daraufhin zur Ehrentribüne am Rathaus, um dies den Bürgermeister zu melden, der daraufhin die Straße für den Festumzug freigibt. Mittlerweile hatten viele tausend Einwohner, Gäste und Besucher sich einen Platz ausgesucht und überfüllten die Straßen und Bürgersteige. Unzählige Personen hielten ihre Foto- und Filmapparate bereit, um das kommende Geschehen festzuhalten. Pünktlich 14:00 Uhr wurde der Festzug zum Abmarsch freigegeben und man konnte schon nach den ersten Schritten die Bewunderung unter den vielen Zuschauern feststellen. Es war ein einzigartiger Anblick, als der Fanfarenzug und die darauf folgenden Bilder zur Josef-Stalin-Straße marschierten, zur Ehrentribüne um Rathaus. Das Wetter war herrlich, die Sonne schien und nur der Wind hatte etwas aufgefrischt. Die Mittagstemperatur betrug 21 Grad. Die Tribüne am Rathaus war voll und die Ehrengäste harrten der Dinge, die noch kommen sollten. Neben der Ehrentribüne hatte der Übertragungswagen vom Staatlichen Rundfunkkomitee Aufstellung genommen, um eine Reportage hier aufzunehmen. Der Festzug rief bei der Gästen der Ehrentribüne wahre Begeisterung hervor was stets durch Beifallklatschen für jedes Bild bekundet und festgestellt worden ist. Man sah überall das gleiche Bild, dass viele Personen mit ihren Fotoapparaten und Filmapparaten sich Mühe gaben, die schönsten Bilder und Ereignisse festzuhalten. Es sind sicher viele tausende von Meter Film geschossen worden.

Nach Beendigung des Festzuges, gegen 15:30 Uhr, ging, das Umkleiden sehr rasch vor sich, so dass um 10:00 Uhr kaum noch jemand im historischen Kostüm im Schulhof zu sehen war. Überall im Ort sah man das gleiche Bild, nachdem der Festzug vorüber war, unzählige Menschen stauten sich in den Straßen. Ein Teil von ihnen begab sich zur Werner-Seelenbinder-Sportstätte, wo ein nationales Fußballspiel mit einer Mannschaft aus Hannover stattfand; ein anderer Teil suchte die Festwiese am Rathaus auf. Es war ein Leben und Treiben im Ort, wie es wohl Hermsdorf noch nicht erlebt hatte. Die Handelsorgane hatten zu tun, um den Andrang an den Rostständen und Verkaufsständen zu bewältigen. Es wurde aber geschafft. Im Festbüro war immer Hochbetrieb. Die Plaketten sind restlos ausgegeben. Am Saaleingang zum Rathaussaal stauten sich schon um 18:00 Uhr die Tanzlustigen, die unbedingt einen Platz haben wollten. Mit großer Mühe war der Saal vorn Gästen freigemacht worden, die sich dort niedergelassen hatten, um etwas zu essen. Die Gastwirtschaften und die Bierstangen waren brechend voller Menschen. In der Heimatausstellung konnten kaum noch Besucher Einlass finden, denn zu viele waren in den einzeln Räumen. Und man hörte auch hier immer wieder nur anerkennende Worte über die gezeigten Dinge.

Im Kulturraum im Rathaus, wo die Preise der Tombola zur Ansicht ausgestellt waren, sind noch immer viele Hunderte von, Losen, verkauf worden. Nach dem Tanz um 10:00 Uhr begann man dann mit der Verlosung unter notarieller Aufsicht. So wurden in über 30 Minuten die ersten 30 Gewinne gezogen. Inzwischen hatte sich auch der Abend hernieder gesenkt auf das festliche Hermsdorf. Schon um 20:00 Uhr begaben sich die ersten Menschen zum Rathausplatz, falls sie nicht schon dort weilten um sich das Abschlussfeuerwerk anzusehen. Endlich, um 20.45 Uhr war es soweit. Mit Bewunderung betrachtete man die einzelnen Bilder des Feuerwerkes und man kann es als einen schönen und würdigen Abschluss unserer 700-Jahr-Feier bezeichnen. Unsere 700-Jahr-Feier im Jahre 1956 war ein wunderschöner Erfolg. Alles hat gut geklappt und die Organisation war so gut vorbereitet, dass nicht eine einzige Panne eingetreten ist. Das erfüllt uns mit stolzer Genugtuung. Wir sind uns gewiss, dass noch viele unserer Einwohner und Besucher und Gäste lange Zeit daran denken und darüber sprechen werden, über dieses gelungene Heimatfest, das erste überhaupt dieser Art in Hermsdorf und auch das größte Fest, was jemals hier stattgefunden hat. Aus Stimmen westdeutscher Besucher kann man entnehmen, dass sie sehr stark beeindruckt von dieser Feierlichkeiten gewesen sind. Auch unsere Ehrengäste so der Vorsitzende des Rates des Kreises Stadtroda, der Oberbürgermeister Kunst von Jena, der Oberbürgermeister Böhme von Gera u.a. äußerten sich sehr anerkennend über unser Fest. Wollen wir hoffen, dass unsere Einwohner später bei ähnlichen Festen und Ereignissen sich mit dem gleichen Elan und mit der gleichen Überzeugung und Verbundenheit zu ihrer Heimat so mit einschalten, wie das jetzt der Fall gewesen ist.