Pflichtfeuerwehr Rungsendorf - eine besondere Art der Traditionspflege

© Stefan Lechner, Günter Plötner & Dieter Plötner

Seit 1964 kommt es bei verschiedenen Feuerwehr- und Heimatfesten zum Einsatz der „Pflichtfeuerwehr Rungsendorf“. Und dies weit über unsere Kreisgrenzen hinaus. Dieser mit großer Hingabe zelebrierte „Einsatz“ hat einen historischen Hintergrund.

Anfang 1898 wies das herzoglich sächsische Landratsamt zu Roda die Gemeinde Hermsdorf als einen der ersten ländlichen Orte an, eine organisierte Feuerwehr einzurichten. Die Aufgaben der Brandbekämpfung nahm bislang eine Pflichtfeuerwehr wahr. Jeder Hausbesitzer musste für diese eine männliche Person stellen. Ein solch bunt zusammen gewürfelter Haufen aus allen Bevölkerungsschichten verfügte weder über eine fachgerechte Ausrüstung noch Ausbildung. Mit der Gründung einer organisierten Feuerwehr sollten diese Unzulänglichkeiten behoben werden.

Im Jahr 1904 stellte die damalige Porzellanfabrik Hermsdorf eine eigene betriebliche Wehr auf. Die Notwendigkeit ergab sich aus der stetig steigenden Produktion, der Produktionspalette sowie der Erweiterung des Betriebes. Die Betriebsfeuerwehr blieb Bestandteil der Porzellanfabrik und deren Nachfolgern HESCHO und Keramische Werke Hermsdorf.

Im Jahr 1964 beging die damalige betriebliche Feuerwehr der KWH ihr 60-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass wurden nach dem Festumzug einige Schauübungen durchgeführt. Es war unter anderem auch vorgesehen, eine Eimerkette zu bilden, um zu zeigen, wie in alten Zeiten die Brände gelöscht wurden. Da sich keiner für diese einfache Übung fand, wurde die FFW Hermsdorf beauftragt, dies zu übernehmen.

Für die Kameraden stand die Frage im Raum, wie das Ganze einigermaßen attraktiv durchgeführt werden könnte. Am Stammtisch wurden Pläne geschmiedet. Ausgangspunkt war die oben angeführte Pflichtfeuerwehr, die überwiegend aus Handwerkern bestand. Es wurde beschlossen, dass die Teilnehmer an der Eimerkette in alter Berufsbekleidung auftraten. Vom damaligen Wehrleiter Alfred Rosenkranz kam der Vorschlag, dass auch ein Versicherungsagent dabei sein muss. Die Begründung führte er auf ein historisches Ereignis zurück. Dieses ereignete sich am 15.08.1910 im Grundstück Bermig in der heutigen Eisenberger Straße. In den Mittagsstunden hatten Kinder in der Scheune das Stroh angezündet. Durch den Brand wurde das gesamte Anwesen sowie das Nachbargrundstück Plötner völlig vernichtet. Vom Feuer bedroht war auch das Nachbarhaus von Fritz Kraft. Die Frage der Feuerwehr an den Besitzer, ob das Haus versichert sei, wurde verneint. Er forderte, dass das Haus unbedingt gehalten werden müsse. Etwas später erschien er bei der Feuerwehr und erklärte, er habe die Versicherungspolice gefunden. Das Haus sei doch versichert und könne ruhig mit abbrennen. „Leider" war das Feuer schon soweit niedergebrannt, sodass sein Haus nicht mehr abbrennen konnte.

Dieser Vorschlag wurde so angenommen und in die Vorführung eingebunden. Alfred Rosenkranz war es auch, der „Rungsendorfer" als Namensvorschlag einbrachte. Der ehemalige Parodist und Komiker Ludwig Manfred Lommel trat vor dem 2. Weltkrieg mit einer Sendung „Hier ist der Sender Runxendorf" im Rundfunk Breslau auf. Dabei brachte er Sketche, wie „Die Hasenjagd von Runxendorf" zum Vortrag. Der ehemalige stellvertretende Wehrleiter Horst Lauckner war ein großer Liebhaber von Lommel und hatte diesen öfters in der Feuerwehr bei feucht fröhlichen Anlässen parodiert. Dieser Stammtischabend im Gasthaus „Zum Schwarzen Bär" war somit die historische Gründung der „Pflichtfeuerwehr Rungsendorf“ (im Original bei Lommel Runxendorf).

Im Hof des ehemaligen Ortsbrandmeisters Hermann Fabian wurde einen zweirädrigen Karren entdeckt, mit dem früher der Mörtel und Wasser zur Baustelle gefahren wurde. Hermann Fabian stellte diesen sowie mehrere Stroheimer zur Verfügung. Die Böttcherei Gräfe & Kreische spendierte zwei Fässer, ein Schiebekarren wurde im ehemaligen Gehöft Fritz Sachse aufgestöbert. Friseurmeister Gerhard Döhle stellte Bärte und Perücken zur Verfügung und hatte sich viele Jahre als Maskenbildner betätigt. Somit war die Ausrüstung komplett. Als Szenarium wurde ein Hausbrand inszeniert, den mit einer Eimerkette zu löschen hatte. Die Vorführung auf dem Sportplatz war dann ein voller Erfolg. 1964 ahnte noch keiner, dass der erste Einsatz der „Pflichtfeuerwehr Rungsendorf“ nicht der Letzte sein sollte und zum Dauerbrenner werden sollte.

 

Löschfahrzeug
RDLF 50
Rungsendorferlöschfahrzeug 50 l

Aus der Geschichte der „Rungsendorfer Pflichtfeuerwehr“ sind viele Erinnerungen geblieben. Solche, über die heute noch gelacht wird, aber auch solche, die ernsthafte Gedanken wach rufen:

  • 1971 frage bei einem „Einsatz“ in Bobeck 1971 der damalige Volkskorrespondent Bruno Franz: „Sagt mal, wo liegt eigentlich Rungsendorf? Ich fahr im ganzen Kreis herum, aber in Rungsendorf bin ich noch nicht gewesen." Kamerad Gräfe gab als Antwort: „Rungsendorf liegt zwischen Trockenborn und Stoolmern (Stahnau)."
  • In Tröbnitz kippte beim Löschangriff das Wasserfass um und ergoss sich über die Truppe. Zwei Rungsendorfer wären fast ersoffen.
  • In Bad Klosterlausnitz brannte nach dem Kanonenschlag plötzlich beim Schmied die Mütze, so musste neben dem Haus auch noch die Mütze gelöscht werden.
  • Im Jahr 1976 musste in Zeitz imitiert werden. Die offizielle Version lautete, dass der Platz mit Fliesen ausgelegt sei und deshalb kein Feuer gemacht werden durfte und dies unmittelbar neben einer Wiese. So wurde ein Haus gelöscht, welches gar nicht vorhanden war. Erst im Nachhinein wurde uns der richtige Grund klar, warum wir dort in der Öffentlichkeit kein Feuer machen durften. Im Sommer hatte sich der Pfarrer Oskar Brüsewitz in Zeitz öffentlich verbrannt. Er war verzweifelt, dass seine Kinder und die Kinder vieler christlicher Familien in der Schule benachteiligt waren. Die Erinnerung an dieses Ereignis sollte in Vergessenheit geraten und nicht durch unser Feuer wieder wachgerufen werden.
  • In Albersdorf stellte der Ortsbrandmeister nach Auslösen des Alarmes mit Schrecken fest, dass das Haus verschwunden war.
  • Bei der Vorführung in Oberbodnitz wurde das Schild in Hermsdorf vergessen. Es wurde unter Einsatz modernster Technik, akustischer und optischer Signale, nachgebracht.
  • Zum 75-jährigen Jubiläum der FFW in Hermsdorf war der Wehrleiter aus Wurzbach begeistert von der Vorführung der „Alten" aus Hermsdorf. Er war hinterher überrascht, dass die „Alten" abends beim Feuerwehrball gar nicht so alt waren, wie sie auf dem Sportplatz ausgesehen hatten.
Inzwischen sind seit der Gründung der Pflichtfeuerwehr Rungsendorf viele Jahre vergangen und von Zeitz bis Kahla, Pegau bis Wurzbach und Lobenstein sind die Rungsendorfer bekannt und heute noch gefragt.
 

Über die Jahre wirkten bei der „Pflichtfeuerwehr Rungsendorf“ folgende Kameraden mit, bzw. sind noch dabei (Gründungsmitglied = Gm):

     

Bachmann, Helmut †
Bauer, Silvio
Beier, Ringo
Bonk, Phillipp
Bräuner, Peter †
Discher, Arthur †
Felgner, Swen
Gießhöfer, Marcel
Gräfe, Werner †
Grube, Rainer
Hegel, Walter (Gm)
Hegel, Willy (Gm) †
Jäger, Hans-Peter †
Keppel, Jens
Keppel, Uwe
Koch, Manfred
Kollhoff, Manfred

Kutsche, Andre
Langbein, Rainer (Gm)
Loth, Peter
Malz, Franz †
Matthes, Maik
Mengs, Tino
Merkel, Karl-Heinz (Gm) †
Peupelmann, Ernst (Gm) †
Peupelmann, Günter
Phillip, Thomas (Fahrer)
Plötner, Achim (Gm)
Plötner, Andre
Plötner, Erhard (Gm) †
Plötner, Günter (Gm)
Plötner, Ralf
Plötner, Reinhard
Plötner, Robert

Plötner, Thomas
Präßler, Stephan
Rosenkranz, Alfred (Gm)
Richter, Sven
Ruhs, Günter
Schleif, Ernst (Gm)
Schöppe, Helmut (Gm)
Sieler, Holger
Teller, Karsten
Thäsler, Walter †
Tröbst, Hans-Joachim †
Tröbst, Gerlinde (Moderatorin)
Unger, Andreas
Wende, Hans-Jürgen
Wiedemann, Manfred †
Ziegler, Enrico
Zintel, Heiko

 

In mehr als 50 Jahren hat die „Pflichtfeuerwehr Rungsendorf“ für Stimmung gesorgt, Beifall gefunden und somit auch die FFW Hermsdorf würdig vertreten. Bleibt zu hoffen, dass die jungen Kameraden der Wehr einmal in die Fußstapfen ihrer Vorgänger treten. Einige sind bereits aktiv dabei, die Tradition der „Pflichtfeuerwehr Rungsendorf“ fortzuführen.

Wer war eigentlich Ludwig Manfred Lommel - dessen Parodien Namensgeber ist? Klick hier

 
Fotogalerie aus den Jahren 1964 bis heute
 

1964 Die Gründungsmitglieder
Die Gründungsmitglieder der Pflichtfeuerwehr „Rungsendorf"
1 = Karl-Heinz Merkel 2 = Walter Hegel  3 = Willy Hegel 4 = Alfred Rosenkranz
5 = Ernst Peupelmann  6 = Günter Plötner 7 = Achim Plötner  8 = Rainer Langbein
9 = Erhard Plötner  10 = Ernst Schleif 11 =  Helmut Schöppe

Umzug durch Hermsdorf
1964 - Umzug durch Hermsdorf zum ersten Einsatz auf dem Sportplatz
aufgenommen in der Schillerstraße vor dem damaligen Postamt.

1964 - Umzug durch Hermsdorf zum ersten Einsatz auf dem Sportplatz
1964 - Umzug durch Hermsdorf zum ersten Einsatz auf dem Sportplatz
aufgenommen in der Eisenberger Straße (damals Friedrich-Engels-Straße) vor Porzellan Schütze


1964 -  erster Einsatz
1964 - Umzug durch Hermsdorf zum ersten Einsatz auf dem Sportplatz
Einmarsch auf den Platz


1964 - Umzug durch Hermsdorf zum ersten Einsatz auf dem Sportplatz
1964 - Umzug durch Hermsdorf zum ersten Einsatz auf dem Sportplatz
aufgenommen in der Eisenberger Straße (damals Friedrich-Engels-Straße)


1964 -Ersten Einsatz auf dem Sportplatz der Nachtwächter hat das Feuer bemerkt und gibt Feueralarm
1964 -Ersten Einsatz auf dem Sportplatz
der Nachtwächter hat das Feuer bemerkt und gibt Feueralarm


1964 -Ersten Einsatz auf dem Sportplatz die Pflichtfeuerwehr rückt an
1964 -Ersten Einsatz auf dem Sportplatz die Pflichtfeuerwehr rückt an

1964 -Ersten Einsatz auf dem Sportplatz - Klärung der Versicherungsfrage
1964 -Ersten Einsatz auf dem Sportplatz - Klärung der Versicherungsfrage

1964 -Ersten Einsatz auf dem Sportplatz - es hat geknallt - alles in Deckung!
1964 -Ersten Einsatz auf dem Sportplatz - es hat geknallt - alles in Deckung!

1964 -Ersten Einsatz auf dem Sportplatz der Löscheinsatz
1964 -Ersten Einsatz auf dem Sportplatz der Löscheinsatz

1964 -Ersten Einsatz auf dem Sportplatz - Nichts mehr zu retten!
1964 -Ersten Einsatz auf dem Sportplatz - Nichts mehr zu retten!

1964 -Ersten Einsatz auf dem Sportplatz - Gelöscht wurde und wird bei den Rungsendorfern immer!
1964 -Ersten Einsatz auf dem Sportplatz - Gelöscht wurde und wird bei den Rungsendorfern immer!

1964 -Ersten Einsatz auf dem Sportplatz - Gelöscht wurde und wird bei den Rungsendorfern immer!
1964 -Ersten Einsatz auf dem Sportplatz - Gelöscht wurde und wird bei den Rungsendorfern immer!

 

1974 Einsatz in Bobeck
1974 Einsatz in Bobeck
  1 = Karl-Heinz Merkel    2 = Peter Jäger    3 = Günter Ruhs  4 = Manfred Wiedemann
  5 = Achim Plötner  6 = Helmut Bachmann    7 = Ernst Peupelmann     8 = Werner Gräfe
  9 = Günter Plötner  10 = Manfred Kollhoff    11 = Helmut Schöppe

Rungsendorfern 1994
1994

Einsatz 1994
Einsatz 1994

2004 Einsatz zum 40-jährigem Jubiläum der Rungsendorfer Pflichtfeuerwehr
2004 Einsatz zum 40-jährigem Jubiläum der Rungsendorfer Pflichtfeuerwehr
1 =  Silvio Bauer  2 = Thomas Plötner  3 = Achim Tröbst  4 = Jens Keppel  
5 = Gerlinde Tröbst (Moderatorin)  6 = Günter Ruhs   7 =  Günter Plötner  8 = Holger Sieler 
9 =  Helmut Schöppe   10 Manfred Kollhoff   11 = Uwe Keppel

 


Die Tradition wird fortgesetzt - neue Besetzung 2014 zum 50--jährigem Jubiläum der Rungsendorfer Pflichtfeuerwehr
01 = Günter Ruhs   02 = Karsten Teller   03 = Stefan Präßler   04 = Jens Köppler
05 = Silvio Bauer   06 = Peter Loth  07 = Marcel Gießhöfer   08 = Holger Sieler
09 = Andreas Unger   10 = Günter Plötner (Betreuer)
 11 = Gerlinde Tröbst (Moderatorin)

 

23. Straßenfest 13.09.2015
Von links: Andre Kutsche - Andreas Unger - Holger Sieler - Peter Loth - Silvio Bauer