Auf der Suche nach der Außenstelle des Konzentrationslagers Buchenwald in der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf 5/IV
Seminarfacharbeit Sandy Jahn und Marie Petermann Staatliches Holzlandgymnasium Hermsdorf

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

1.         Das Hauptlager Buchenwald bei Weimar 
1.1
       Kurzer Überblick über das Konzentrationslager Buchenwald 
1.2
       Außenstellen des Lagers                                                                        
2.
         Die Außenstelle in der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf                    
2.1
       Lage der Außenstelle und die Begehung auf dem Gelände                                      
2.2
       Das Lagersystem                                                                                                   
2.3
       Die Funktion der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf                                       
2.4
       Die Evakuierung und die Sprengungen                                                        
3.
         Die Zwangsverpflichteten und die Häftlinge in der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf                                                                  
3.1
       Zwangsverpflichtete in der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf              
3.2
       Leben und Arbeiten der Häftlinge                                                               
4.
         Das Gelände der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf nach 1945           
4.1
       Die Knochenfunde in der ehemaligen Luftwaffen-Munitionsanstalt  Oberndorf
4.2
       Das ehemalige Gelände der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf im Jahr 2002
4.3
       Unsere Bemühungen um die Erhaltung der Reste des Häftlingslagers           
5.
         Chronik der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf von 1945 bis heute
             Zusammenfassung

             Fremdsprachliche Zusammenfassung

             Literatur- und Quellenverzeichnis

             Anhang
             Schlusserklärung
             Zeitzeugen  

Vorwort

Der Grund warum wir uns entschieden haben dieses Thema zu bearbeiten, war unser Erstaunen über unser Unwissen, was im Zweiten Weltkrieg in der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf eigentlich geschah. Nach einem Vortrag in Regional- und Technikverein Hermsdorf wurde uns erzählt, dass dort die Rede von Buchenwaldhäftlingen  in der „Muna“ war. Doch wieso spricht sonst keiner davon, dachten wir uns. In der folgenden Zeit begannen wir uns einfach ein bisschen umzuhören und daraus sollte dann eine solche Arbeit entstehen, denn das Thema wurde immer interessanter umso mehr wir nachfragten fragten.

Eigentlich hat diese Seminarfacharbeit jedoch mit einem Tiefschlag begonnen. Quellenstudien, Bücher und die Arbeit im Hermsdorfer Archiv erbrachten keinen Erfolg. Zu diesem Thema schien es beinahe keine Informationen zu geben.

Letzten Endes nahm unsere Suche eine erstaunliche Wende und so konnten wir mit Augenzeugen sprechen und mit vielfältigstem Material arbeiten.

Der Weg dorthin war schwer, doch wir haben es geschafft, eine kleine Lücke in der Regionalgeschichte zu schließen. Dies geschah Dank der Mithilfe von Augenzeugen, Zeitzeugen, Historikern, Vereinen und nicht zuletzt den Archiven, wie dem der Gedenkstätte Buchenwald und dem von Bad Klosterlausnitz. Ihnen und allen die uns unterstützt haben, sei an dieser Stelle gedankt, schließlich waren sie zum Teil unsere einzigen Quellen. Für die Begleitung auf so mancher abenteuerlichen Expedition möchten wir uns bei Jörg Petermann -, für den fachdienlichen Rat bei Jürgen Hebenstreit bedanken. Ebenso bei der regionalen Presse für die Veröffentlichungen, wodurch wir einen ersten Kontakt zu Augenzeugen knüpfen konnten.

Mittels der vielen Befragungen und Zeitzeugenberichte können sich subjektive Eindrücke nicht vermeiden lassen.

Einige Fragen werden bei diesem Thema immer offen bleiben, doch auch wenn diese Arbeit nun geschrieben ist, werden wir trotzdem weiter nach letzten Antworten suchen.

Diese Arbeit steht demnach nicht als Abschluss der regionalgeschichtlichen Forschung zur Außenstelle des Konzentrationslagers Buchenwald in der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf („Muna“), sondern sie gibt Anlass zu weiterem Suchen.

Sandy Jahn                                                                                                    Marie Petermann

  Einleitung

Unser gewähltes Thema „Auf der Suche nach der Außenstelle des Konzentrationslagers Buchenwald in der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf 5/IV“  wurde bisher nur wenig und zum Teil gar nicht erforscht.

Dennoch wollten wir dieses „dunkle Kapitel“ der Heimatgeschichte, dass uns schließlich unmittelbar betrifft, erkunden und dokumentieren.

Im Zeitraum von 1944 bis 1945 unterhielt das Konzentrationslager Buchenwald eine Außenstelle in der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf mit circa 100 bis 200 männlichen Häftlingen. Mit Hilfe dieser Seminarfacharbeit möchten wir beweisen, dass diese Aussage stimmt.

Die schlechte Quellenlage war uns zwar bewusst, doch standen wir zuerst vor der Frage, wie man an die Informationen kommen sollte.

Erste Erfolge konnten wir bei  Befragungen von Zeitzeugen erreichen.

Werner Dämmrich aus Weißenborn half zum Beispiel 1945 bei den Sprengungen und Erhard Gundermann aus Eisenberg hatte vom Häftlingslager gehört. Ein Vortrag über ein ähnliches Thema wurde bereits im Regional- und Technikverein Hermsdorf gehalten – das alles waren zwar Anhaltspunkte, doch noch kein ausreichender Stoff für eine solche Arbeit.

Die Lösung waren die Veröffentlichungen in der Presse, ob Ostthüringer Zeitung oder Allgemeiner Anzeiger, sie druckten die Artikel und schon nach kurzer Zeit meldeten sich erste Informanten. Zum Teil hatten sie in der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf gearbeitet, zum anderen nur durch Bekannte davon gehört, aber eigentlich haben alle zu dieser Arbeit ein Stück beigetragen. Die ganze Suche beschäftigte mehr und mehr Leute, denn unser Thema hatte sich nun auch per Mundpropaganda herumgesprochen. Immer wieder klingelte das Telefon und schon gab es eine neue Information.

Auch als wir schon mit dem Schreiben der Arbeit beschäftigt waren, kamen Neuigkeiten hinzu, die natürlich mit eingearbeitet wurden.

Wir haben uns dafür entschieden, zunächst vom Hauptlager Buchenwald auszugehen und schließlich die Außenstelle in der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf herauszugreifen. Dabei sollen auch unsere oft abenteuerlichen Expeditionen dorthin beschrieben werden. Das Häftlingslager zeigte uns nach längerem erfolglosem Suchen Thomas Schade aus Hermsdorf. Genaue Lagebeschreibungen existieren bis jetzt nicht.

Den Arbeitern war es durch die Schweigepflicht nicht erlaubt irgend etwas nach außen zu tragen oder gar zu fotografieren. Fotos von der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf oder dem Häftlingslager aus der damaligen Zeit wird es deshalb kaum geben.

Meist sind es nur Luftbildaufnahmen, welche wir in ihrem ursprünglichen Format belassen haben. Unsere Dokumentation beschränkt sich auf diese sowie Lagepläne und Fotos des jetzigen Zustandes der „Muna“.

Einen wichtigen Punkt der Arbeit stellt das Leben der Inhaftierten dar, wobei wir auch auf die Zwangsverpflichteten und das allgemeine Lagersystem eingehen.

Bezugspunkte zur Gegenwart ließen sich schnell knüpfen, sei es durch die Menschenfunde auf dem Gelände der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf vor zwei Jahren oder durch die Diskothek, den Motorrad-Club und die Behindertenwerkstatt, die heute dort ansässig sind.

Natürlich war die Materialsuche schwierig, doch das machte die Sache nur interessanter. Es war für uns schöner mit Augen- und Zeitzeugen zu sprechen, sie zu interviewen oder in Archiven zu stöbern, als das Internet nach Informationen zu durchsuchen. Unser Thema ist wahrscheinlich eines der wenigen, was dort nicht zu finden ist.

Da es uns bis zum Schluss fasziniert hat und es noch heute tut, war es auch kein Problem an manchen Tagen einmal länger daran zu arbeiten, als es eigentlich geplant war.

Das Resultat ist keines aus Büchern zusammengetragenes Material, sondern eine Arbeit aus neu erforschten Informationen.

Mit Sicherheit soll diese Arbeit auch regionalen Archiven zu Gute kommen.

Uns war es wichtig, dass wir damit weit mehr erreichen, als nur unsere Mitschüler und Lehrer darüber zu informieren, was in der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf geschah. Archive und andere Geschichtsinteressierte sollen unserer Meinung nach Teil daran haben. Vielleicht können wir für die Zukunft der heutigen „Muna“ etwas Bleibendes erreichen, damit es nicht mehr heißt, die Außenstelle hätte es dort nie gegeben.

1. Das Hauptlager Buchenwald bei Weimar

1.1 Kurzer Überblick über das Konzentrationslager Buchenwald

Auf der Suche nach dem Häftlingslager in der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf kommt man am Hauptlager Buchenwald nicht vorbei. Von hier aus wurden die Häftlinge per Bahn an die verschiedenen Außenstellen verschickt. So haben wir uns unter anderem auch an das Archiv der Gedenkstätte Buchenwald gewandt, um genauere Informationen zu den Vorgängen von 1944 bis 1945 zu bekommen, da man damals auch ständigen Kontakt zu den Außenstellen hielt.

Die Geschichte des Lagersystems beginnt aber wesentlich eher:

Verhaftungswellen durch die „Machtergreifung“ und die damit einsetzende Überlastung der Haftanstalten waren Gründe, dass 1933 die ersten Konzentrationslager errichtet wurden (Dachau (20. März), Oranienburg (21. März) (1)). Weitere folgten in kurzer Zeit.

Es war Anfang Oktober 1936, als man schließlich beschloss die SS-Verfügungstruppen neu zu organisieren, um unter anderem gegen den eventuell auftretenden Widerstand der Bevölkerung gerüstet zu sein. Ab 1936 zentralisierte man nun die Konzentrationslager und es wurden neue größere Lager errichtet, dazu zählte auch Buchenwald (2).

Als eines der größten nationalsozialistischen Konzentrationslager wurde es auf einem 40 Hektar großen Areal am Nordhang des Ettersberges bei Weimar erbaut.

Es gab 35 Holzbaracken, 15 zweistöckige Steinblocks, eine Gärtnerei, eine Desinfektion, Werkstätten sowie andere Einrichtungen und ab 1940 sogar ein eigenes Krematorium (3).

Die Leitung übernahmen Hermann Pistor (SS-Oberführer) und Karl Koch

(SS-Standartenführer) (4).

Neben der Lageraufsicht gab es eine Häftlingsselbstverwaltung. Sowohl Lager-Ältester, Schreiber, Vorarbeiter oder die Kasernenpolizei hatten die Befehle der SS durchzusetzen (5).

Zwischen der Entstehung im Juli 1937 und der Selbstbefreiung im April 1945 wuchs die Zahl der Gefangenen. Während es 1937 noch 2.561 waren, befanden sich im Jahr 1945 schon 238.980 Häftlinge im Lager (6).

Es waren meist politische Gefangene, Kriminelle, Asoziale, Homosexuelle, unter ihnen auch eine große Zahl an Juden.

Alle trugen einheitlich gestreifte Kleidung, zu unterscheiden waren sie nur durch die Häftlingsnummer und die verschiedenfarbigen Winkel. Ein roter Winkel galt den politischen Gefangenen, ein rosa Winkel den Homosexuellen und ein schwarzer beispielsweise den

Asozialen. Juden hatten zusätzlich einen gelben Winkel zu tragen.

Zwangsarbeiten in Rüstungsindustrie, Gärtnereibetrieben, Viehställen und Steinbruch gehörten meist zu den Aufgabenbereichen der Häftlinge.

Dabei waren Unterbringung, Lebensbedingungen, Ernährung, Hygiene und ärztliche Versorgung unzureichend und unmenschlich (7).

43.045 Menschen starben aufgrund dieser Haftbedingungen .

Nachdem sich das Lager im April zum Teil selbst evakuierte, wurde es am 11. April 1945 von amerikanischen Streitkräften befreit (8).

1958 wurde die Nationale Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald eingeweiht (9). Heute befinden sich neben den Lagerresten zwei Museen auf dem Gelände.

In den Ausstellungen findet man die Geschichte der Außenstellen jedoch nur kurz, das Lager in der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf gerade einmal auf einer Karte erwähnt. Grund genug einmal etwas näher auf die Außenstellen einzugehen.

(1)     Dahm, Volker/ Mehringer, Hartmut/ Möller, Horst; „Die tödliche Utopie“; Im Selbstverlag des Instituts für Zeitgeschichte; München/ Berlin; 2001; 3. Auflage
(2)     Bartel, Walter/ Trostorff, Klaus; „Buchenwald Mahnung und Verpflichtung“; VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften; Berlin; 1983
(3)     Carlebach, Emil/ Grünewald, Paul/ Röder, Hellmuth/ Schmidt, Willy/ Vielhauer, Walter; „Buchenwald ein Konzentrationslager“; Dietz Verlag; Berlin 1988
(4)     Encarta Enzyklopädie 1999 (Suchbegriff: Buchenwald)
(5)     Dahm, Volker/ Mehringer, Hartmut/ Möller, Horst; „Die tödliche Utopie“; Im Selbstverlag des Instituts für Zeitgeschichte; München/ Berlin; 2001; 3. Auflage
(6)     Encarta Enzyklopädie 1999 (Suchbegriff: Buchenwald)
(7)     Dahm, Volker/ Mehringer, Hartmut/ Möller, Horst „Die tödliche Utopie“; Im Selbstverlag des Instituts für Zeitgeschichte; München/ Berlin; 2001; 3. Auflage
(8)     Encarta Enzyklopädie 1999 (Suchbegriff: Buchenwald)
(9)     Bartel, Walter/ Trostorff, Klaus; „Buchenwald Mahnung und Verpflichtung“; VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften; Berlin; 1983

1.2 Außenstellen des Lagers

Die Außenstellen von Buchenwald, auch Außenkommandos genannt, entstanden als man in den Konzentrationslagern Rüstungsproduktionen einsetzen wollte, was jedoch an Behörden und dem Rüstungsminister Speer scheiterte. Dass diese Industrie sehr wichtig war, wird in einem Brief von ihm (Berlin, 22. April 1943), gerichtet an die „Herrn Leiter, der Reichsgruppe Handel, der Arbeitsgemeinschaft Rüstungshandel“ deutlich:

„(...) Die gesteigerten Aufgaben der Rüstung machen es notwendig, nach der Rüstungsindustrie nunmehr auch im Bereich des Rüstungshandels eine verstärkte Heranziehung selbstverantwortlicher Organe durchzuführen. Der Rüstungshandel hat in der Sicherstellung der laufenden und vor allem der stossweisen Zulieferung an Rohstoffen, Halb- und Fertigfabrikaten für die Rüstungsfertigung eine verantwortungsvolle Aufgabe zu erfüllen.“

(gesamter Brief im Anhang)

Nun wurde nach neuen Wegen gesucht um die Produktion nicht in den Konzentrationslagern einzurichten und man wurde fündig.

Es wurden Außenlager bei bereits bestehenden Rüstungsbetrieben errichtet (10).

So wie es auch in der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf der Fall war, denn diese wurde im Gegensatz zum Häftlingslager 1934 erbaut (1935 in Betrieb genommen), entstand also wesentlich eher (11).

Die Bezeichnung „Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf 5/IV“ zusammengesetzt aus der Lage im Luftgaukommando IV sowie einer laufenden Nummer 5, denn alle Luftwaffen- Munitionsanstalten „innerhalb eines Wehrkreises“ wurden nummeriert. Im Luftgaukommando Dresden führte man „M6“ als Bezeichnung für die „Muna“ in Oberndorf an.

Die Folge der Idee war die Ausbreitung eines Netzes von Außenstellen.

Buchenwald hatte 136 Außenkommandos und im Jahr 1945 immer noch beachtliche 86.

Diese glichen mehr Sklavenbetrieben, in denen Buchenwald-Häftlinge für deutsche Konzerne arbeiten mussten.

Einige dieser Firmen waren: BMW, Solvay, Gelsenberg Benzin, Ford Köln (12).

Nicht selten kam es vor, dass Buchenwald-Häftlinge in Außenstellen geleitet wurden, dann aber wieder zurück nach Buchenwald kamen. Dies lässt sich an den Häftlingslisten aus dem Nummernbuch der Schreibstube (gesamter Bericht im Anhang) gut nachvollziehen.

Ein vermutlich deutscher Häftling namens Johannes Peters, mit der Häftlingsnummer 78295, wurde beispielsweise aus dem Lager/Baracke Nummer 58 in Buchenwald in die Luftwaffen-

Munitionsanstalt Oberndorf transportiert und gelang dann wieder zurück nach Buchenwald,

arbeitete anschließend im Konzentrationslager Natzweiler, wo er am 07. März 1945 verstarb. So lassen sich beinahe ganze Lebensgeschichten rekonstruieren.

Zwar befanden sich auch Außenstellen weit über die Grenzen Thüringens hinaus, doch auch der ein oder andere Ort in unserer Region unterhielt ein Häftlingslager, so auch Altenburg und Jena sowie bereits genannt, die Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf (13). Von den 250 Hektar wurde aber nur eine kleine Fläche als Häftlingslager genutzt (14). Dieses soll nach Angaben von Buchenwald vom 19.11.1944 bis 18.02.1945 existiert haben.

Auf der Suche nach jenem Lager soll nun Schritt für Schritt auf die Lage, die Insassen sowie das Leben und Arbeiten in der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf eingegangen werden.

(10)        Dahm/ Mehringer/ Möller; „Die tödliche Utopie“; Im Selbstverlag des Instituts für Zeitgeschichte; München/ Berlin; 2001; 3. Auflage
(11)         Ostthüringer Zeitung vom 13.03.2000
(12)         Carlebach/ Grünewald/ Röder/ Schmidt/ Vielhauer; „Buchenwald ein Konzentrationslager“; Dietz Verlag;                 Berlin; 1988
(13)        Grün/ Müller- Kluge; Erläuterungen zu der Karte „Todesmärsche von Häftlingen des KZ Buchenwald und seinen Außenkommandos durch den              heutigen Bezirk Gera“
(14)         Ostthüringer Zeitung vom 13.03.2000

2. Die Außenstelle in der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf

2.1 Lage der Außenstelle und die Begehungen auf dem Gelände

Um über die damaligen Umstände in dem Häftlingslager berichten zu können, mussten wir uns erst einmal ein Bild dieses Lagers verschaffen. Es war herauszufinden, wo sich diese Außenstelle denn nun genau befunden hatte und von welcher Größe sie eigentlich war. Es stellte sich heraus, dass das „Aufspüren“ nicht so einfach war, zumal das Areal der Luftwaffen - Munitionsanstalt Oberndorf circa 250 Hektar betrug und wir nur wenige Informationen über die genaue Lage der Außenstelle hatten (15).

Uns war bekannt, dass sich das Gebiet der Luftwaffen - Munitionsanstalt Oberndorf in dem Wald zwischen Bad Klosterlausnitz, Tautenhain, Rüdersdorf und Oberndorf befand. Es war eingezäunt und hatte sogar einen eigenen, gesonderten Gleisanschluss an das Schienennetz der Deutschen Reichsbahn. Die Außenstelle sollte sich zwischen dem Lockschuppen und der Autobahn A4 Erfurt - Dresden in Richtung Bad Klosterlausnitz befunden haben und noch einmal eingezäunt gewesen sein (16).

Mit diesen Informationen und einer handschriftlichen Skizze von Heinz Grün ( im Anhang) machten wir uns auf die Suche nach dem Häftlingslager. Zunächst ging es quer Feld ein durch Büsche, Gestrüpp und knietiefen Schlamm. Endlich fanden wir einen Anhaltspunkt. Die Gleise der damaligen Deutschen Reichsbahn sind nämlich noch heute erhalten und werden von der Deutschen Bahn genutzt. Also ging es nun an den Bahnschienen entlang Richtung Autobahn. Einige hundert Meter vor der Autobahn verließen wir den Weg der Gleise und bogen rechts ab, direkt in das Dickicht des Waldes. Dort fanden wir auch einige Schneisen vor, und nicht nur das, wir haben auch zahlreiche, teilweise umgestürzte Betonpfeiler gefunden (Fotos im Anhang), die, allem Anschein nach, zur Umzäunung der gesamten Luftwaffen - Munitionsanstalt Oberndorf gedient haben.  Je weiter wir nun das G biet erforschten, umso mehr Reste fanden wir. Darunter auch der gesonderte Gleisanschluss, ein betonierter Platz (Fotos im Anhang) und den Lokschuppen. So sehr wir uns auch bemühten und suchten, das Häftlingslager fanden wir an diesem Tag nicht.

Wir kamen in diesem Punkt nicht weiter, also gab es nur eine Möglichkeit. Die Bevölkerung wurde mit einem neuen Artikel im Allgemeinen Anzeiger um Mithilfe gebeten. Es meldeten sich auch einige hilfsbereite Menschen, darunter Thomas Schade aus Hermsdorf. Er war zwar

nicht in dem Gebiet tätig, als das Häftlingslager noch bestand, doch in der Zeit, als die Nationale Volksarmee das Territorium nutzte, arbeitete er dort. Während dieser Zeit sah er auch die Überreste des Häftlingslagers. Zwar lag seine Arbeit dort schon einige Zeit zurück, doch er erklärte sich sogar dazu bereit, mit uns das Gebiet zu besuchen. Also trafen wir uns, fuhren in die ehemalige Luftwaffen – Munitionsanstalt Oberndorf und nach einer kurzen Orientierungsphase führte er uns zu den Resten des Häftlingslagers. Es stellte sich heraus, dass wir es bei unserer ersten Begehung nur um circa 200 bis 300 Meter verfehlt hatten. Wir waren sehr überrascht, wie gut die Grundmauern noch erhalten waren. Zwar war alles so gut wie zugewachsen, doch mit ein wenig Arbeit ließ sich einiges entdecken, darunter vermutlich auch die Fundamente das Sanitärtrakts der Häftlinge (Fotos im Anhang).

(15)              Ostthüringer Zeitung vom 13.03.2000
(16)              Brief von Heinz Grün

2.2 Das Lagersystem

Nun hatten wir die Außenstelle gefunden und konnten uns das Vorgehen auf dem Gelände besser vorstellen. Man kann das Häftlingslager nicht vom restlichen Gebiet der Luftwaffen –

Munitionsanstalt trennen, auch wenn die Außenstelle mit ihren flachen, langgezogenen Holzbaracken mit Fenstern und Vorraum zusätzlich umzäunt war, so war das Arbeiten und Leben eng  miteinander verbunden.

Es gab einen Wohnbereich mit einigen Einfamilienhäusern. Dort lebten meist ranghohe Angestellte der Luftwaffen – Munitionsanstalt Oberndorf. Auch wenn das Wohngebiet in einiger Entfernung zum Häftlingslager lag, kamen selbst dort Inhaftierte zum Einsatz, zum Beispiel in der Gartenpflege.

Das, im Vergleich dazu, große Verwaltungsareal beinhaltete Wachgebäude, eine Kommandantur, eine Feuerwache, zwei Küchen, einen sogenannten Med-Punkt, ein Kino und ein Kasino. Mit den Küchen kamen die Häftlinge nur in Kontakt, wenn sie verpflegt wurden, das heißt wenn sie ihre Kaltverpflegung in einer der Küchen abholen oder wenn das warme Essen ausgeteilt wurde (17).

Das Objekt bestand aus einem eigenen Brunnen, einem Heizhaus, einem Luftschutzbunker, Transport- und Verladeeinrichtungen sowie einem Verladebahnhof, einem Lokschuppen, Garagen und einer Tankanlage (18). Auch hier wurden die Buchenwaldhäftlinge eingesetzt. Sie mussten zum Beispiel die halbfertigen Bomben vom Zug laden (19).

Der Arbeitsbereich der Luftwaffen – Munitionsanstalt Oberndorf bestand aus Munitionshäusern und über 60 Bunkern (Karte im Anhang) (20).

Nach der Endmontage der Bomben war es die Aufgabe der Häftlinge diese auf Holzschlitten zu stapeln und sie an einem anderen Ort einzulagern (21).

Die zahlreichen Gebäude und Einrichtungen verlangten zur Nutzung natürlich auch eine sehr große Zahl an Arbeitern. Dazu gehörten unter anderem Wehrmachtsangestellte, Zivilverpflichtete und auch Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald (22).

Zwei Augenzeuginnen berichteten uns von ihrer Tätigkeit in der Luftwaffen – Munitionsanstalt Oberndorf. Zum einen war das Annemarie Schauer, die in eine der Küchen gearbeitet hatte. Sie bereitete das Essen mit anderen Arbeitern vor und manchmal gab sie es aus. Ab und zu bekam sie auch Gefangene der Außenstelle zu Gesicht und wenn sie noch etwas von dem Essen übrig hatte, dann steckte sie es ihnen zu. Dies musste natürlich heimlich geschehen, denn hätte man sie dabei erwischt, so hätte sie mit Sicherheit eine harte Strafe

auferlegt bekommen und die Gefangenen wären wahrscheinlich misshandelt worden.

Unsere Andere Augenzeugin, Frau Anneliese Rothe, war Munitionsarbeiterin. Ihre Aufgabe war es Sprengbombenzünder einzusetzen. Die Bomben, an denen sie arbeitete, wurden von Inhaftierten vom gesonderten Gleisanschluss auf Holzschlitten zu den Arbeitshäusern oder zu den Bunkern herangezogen. Darunter waren Sprengbomben, Zeitzünderbomben und Splitterbomben. Während unserer Recherchen zum Thema wurden zwei andere Bezeichnungen sehr häufig erwähnt. Das war zum einen der „Kapo-Führer“ und zum anderen waren das die „Feuerwerker“. „Kapo“ war die Abkürzung für Kasernenpolizei. Der „Kapo-Führer“ hatte die Aufsicht über die Gefangenen. Er trug eine Armbinde mit der Aufschrift „KAPO“ und gab auch manchmal das Essen für die Gefangenen mit aus. Dieser Aufseher wurde als unmenschlich und grausam beschrieben. Er soll die Häftlinge auch  misshandelt haben. Gerade das ist schwer zu erstehen, denn die „Kapo-Führer“ waren selbst Gefangene, die dann „befördert“ wurden und über die ehemaligen Gefangenen wachten.

Der Begriff der  „Feuerwerker“ war eine Berufsbezeichnung. Sie hatten Blindgänger unter den Bomben zu entschärfen und arbeiteten dabei mit Häftlingen zusammen. Die gefangenen wurden in dem Metier zunächst ausgebildet und dann zu Einsätzen mitgenommen. Unter den „Feuerwerkern“ tauchten bei unseren Forschungen immer wieder zwei Namen auf. Ein Herr Dorr, der Oberfeuerwerker entschärfte nicht nur Blindgänger, sondern ließ auch jeden Morgen zum Appell antreten. Ein einfacher Feuerwerker, der sehr viel mit den Buchenwaldhäftlingen zusammen arbeitete war Ernst Saratka. Er wurde als draufgängerisch bezeichnet, soll aber immer alle gerecht behandelt haben (23).

(17)              Aus Befragung von Frau Annemarie Schauer
(18)              Ostthüringer Zeitung vom 13.03.2000
(19)              Aus Befragung von Frau Annemarie Schauer
(20)              Ostthüringer Zeitung vom 13.03.2000
(21)              Aus Befragung von Frau Annemarie Schauer
(22)              Ostthüringer Zeitung vom 13.03.2000
(23)              Aus Befragung von Frau Annemarie Schauer und Frau Anneliese Rothe

2.3 Die Funktion der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf

Auch wenn es für die Bevölkerung der umliegenden Dörfer so ausgesehen haben mag, es steht definitiv fest, das auf dem Gebiet der Luftwaffen – Munitionsanstalt Oberndorf keine „Schokoladenfabrik“ existierte.

Das Gelände wurde ausschließlich für militärische Zwecke der damaligen Regierung genutzt. Es war sowohl Munitionslager als auch Munitionsfabrik. Es kamen unfertige Bomben verschiedener Art am Gleisanschluss an, dort wurden die Zünder angebaut und als die Endmontage beendet war, wurden sie gestapelt und entweder zwischengelagert oder zum Weitertransport verladen.

Die Luftwaffen – Munitionsanstalt Oberndorf fertigte nicht nur Dinge, die Unheil über die Menschen brachten, es wurden auch Entschärfungstrupps ausgebildet. Diese bestanden oft aus einem „Feuerwerker“ und mehreren Häftlingen. Die Trupps waren dann dafür zuständig, wenn unter den abgeworfenen Bomben in der Umgebung Blindgänger waren, diese zu entschärfen. Des weiteren wurden sämtliche Arbeiter und Häftlinge in der Luftwaffen – Munitionsanstalt Oberndorf verpflegt. Dies ließ sich anhand er Aussagen der Augenzeugin Annemarie Schauer nachvollziehen.

Das riesige Gelände war auch für einige wenige Wohnort (24).

(24)              Aus den Befragungen der Augenzeuginnen Annemarie Schauer und Anneliese Rothe

2.4 Die Evakuierung und die Sprengungen

Im Verlauf des Krieges wurde immer deutlicher, dass Deutschland keine Chance mehr hatte, den Krieg zu gewinnen. Die Luftwaffen – Munitionsanstalt Oberndorf sollte aufgelöst und nach Bayern verlegt werden (25).

Der Einmarsch der Alliierten stand unmittelbar bevor. Infolgedessen wurde der Befehl: „Kein Häftling darf lebendig in die Hände des Feindes fallen.“ erteilt. Es wurde unverzüglich mit der Beräumung des Häftlingslagers in der Luftwaffen – Munitionsanstalt Oberndorf begonnen. Laut dem Heft „Todesmarsch“ fanden zwei Transporte statt, die beide das Ziel Buchenwals hatten. Im ersten Marsch, Anfang Februar 1945, wurden circa 300 Häftlinge und beim zweiten, Ende Februar, 100 Häftlinge evakuiert. Diese, wahrscheinlich in der DDR-Propaganda, verfälschten Zahlen konnten wir mit unseren Recherchen widerlegen. Die Transporte konnten nur auf der Strecke von Oberndorf nach Stadtroda zurückverfolgt werden.

Ab dem 18. Februar 1945 wurden die Gefangenen auf zwei verschiedenen Wegen aus dem Außenlager getrieben. Ihr Weg führte vom Lager in Richtung Lindenkreuz, weiter über Eineborn und Ottendorf, bis nach Stadtroda. Den weiteren weg kann man jedoch nicht mehr rekonstruieren. Sicher ist aber, dass die Häftlinge circa 15 Tage  unterwegs waren, doch Bekanntgaben über das Ende des Marsches liegen nicht vor. Demzufolge sind auch keine Angaben über die Anzahl der Toten vorhanden. Doch die Anzahl wird wahrscheinlich sehr gering gewesen sein, denn bereits wenige Kilometer nach Oberndorf gab es etliche Tote.

Frau Hädrich sagte, dass „an der Strecke, die diese Menschen zogen, etliche Tote lagen.“ und auch der damalige Pfarrer von Ottendorf berichtete: „Auf dem Transport nach hier, oder erst hier, sind einige der Jammergestalten gestorben (...)“ (26). Dies lag nicht zuletzt an der Verpflegung, denn schon im Lager war das Essen dürftig und die Häftlinge sehr geschwächt. Auf den Todesmärschen verschlechterte sich die Situation weiter, wer keine Kraft mehr hatte zum Weiterlaufen, wurde erschossen (27).

Währenddessen rückten die amerikanischen Truppen immer weiter vor. Am 13. April 1945 wurde die Luftwaffen – Munitionsanstalt Oberndorf kampflos von den alliierten Bodentruppen besetzt. Diese begannen am 11. Mai mit den Sprengungen vorgefundener Bombenstapel. Es wurden dabei nicht nur immense Druckwellen erzeugt, welche große Schäden in den umliegenden Gemeinden anrichteten, sondern es wurden auch Waldbrände im Gebiet der „Muna“ ausgelöst. Damit wurden die Sprengungen vorerst beendet.

Als die sowjetischen Truppen am 2. Juli in das Gebiet einzogen, wurden diese fortgesetzt.

Man sprengte zunächst die Munition, danach Lagerbunker und die Fertigungsanlagen. Auch hierbei wurde infolgedessen viel Wald vernichtet und Unmengen von Holz, aufgrund der Geschosssplitter, unbrauchbar gemacht. Im Zeitraum vom 21. bis 31. Juli 1945 gab es solche großen Druckwellen, dass sogar Fenster- und Dachschäden im Stadtgebiet von Gera zu verzeichnen waren. Auf dem Gelände der „Muna“ entstanden Trichter mit bis zu 50 Meter Durchmesser, die auch heute noch sichtbar sind (Fotos im Anhang). Die systematische Vernichtung der Luftwaffen – Munitionsanstalt Oberndorf dauerte noch bis ins Jahr 1946 (28).

(25)              Material aus dem Archiv Buchenwald:

Bericht der Arbeitsgemeinschaft „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“ der Friedensschule Hermsdorf über die Erforschung der Geschichte des ehemaligen Außenlagers das KZ Buchenwld in Oberndorf

(26)              Zitate und Angaben aus Begleitheft „Todesmarsch“
(27)              Bericht des Augenzeugen Dr. H. Schmidt
(28)              Ostthüringer Zeitung vom 15.03.2000

3. Die Zwangsverpflichteten und die Häftlinge in der Luftwaffen- Munitionsanstalt Oberndorf

3.1 Zwangsverpflichtete in der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf

Die Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf war weder Schokoladen- noch Marmeladenfabrik (29) und sie war auch nicht unterirdisch (30). Obwohl viele Meinungen der Leute auf Gerüchten basieren, lassen sich Anhand dieser Aussagen erstaunliche Dinge feststellen.

Blicken wir einmal zurück:

Tagtäglich haben damals Arbeiter mit süßlich riechendem Sprengstoff gearbeitet, durften aber nichts von ihren Erlebnissen berichten - alles streng geheim. Zu Hause angekommen, vernahmen die Verwandten und Freunde einen süßlichen Geruch und was haben sie sich in ihrer Fantasie ausgemalt? Es muss etwas mit Zucker zu tun haben.

Diese Vermutung nun ein paar Anderen erzählt und das Gerücht von einer Süßwarenfabrik war fertig. Damit das Ganze nun noch spektakulärer wurde, fügte man das Wort „unterirdisch“ hinzu.

Aufgrund der Geheimhaltung und der Abgeschiedenheit der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf waren der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Es wusste eben niemand besser und die Arbeiter wurden regelmäßig an ihre absolute Schweigepflicht erinnert.

Anneliese Rothe, 1924 geboren, war eine dieser Arbeiterinnen. Sie sollte zunächst nur ein Viertel Jahr dienstverpflichtet werden, doch man verlängerte die Dienstzeit bis Kriegsende. Somit war sie vom 14.07.1941 bis 12.04.1945 in der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf tätig. Sie berichtete uns, wie sie täglich (von Montag bis Samstag) mehrere Kilometer mit dem Fahrrad von Gera (noch heute ihr Wohnort) in die „Muna“ fuhr, ohne zu wissen, woran sie diesen Tag arbeiten würde. Erst nachdem der Oberfeuerwerker Dorr zum morgendlichen Appell vor dem Küchengebäude antreten ließ, wurden die Zwangsverpflichteten in Kolonnen eingeteilt, welche man per Fahrzeug zu den Arbeitshäusern brachte.

Die damals Siebzehnjährige musste bereits Zünder in Splitter- (siehe Anhang), Spreng- und Zeitzünderbomben einsetzen. Die Arbeit war schwer und nicht ungefährlich. Alle Arbeitshäuser waren deshalb mit einem Wassergraben umgeben. Im Notfall konnte man die Fenster des Hauses leicht öffnen und in den Graben springen. Ob dies bei einer Explosion zu realisieren war, bleibt für uns fraglich.

Annemarie Schauer arbeitete auch in der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf. 1929 geboren, lebte sie in Kraftsdorf und zog schließlich 1943 in die „Muna“. Ihr Vater war Wehrmachtsbeamter und auch ihr Vater hatte

dort eine leitende Stelle. Sie selbst war bis 1945 als Küchenhilfe tätig.

In der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf gab es nach ihren Angaben zwei Küchen. Während in der „Wehrküche“ für Soldaten, Personen der Verwaltung, und Büroangestellte Essen ausgegeben wurde, bekamen in der „oberen Küche“ Dienstverpflichtete und Häftlinge ihre Verpflegung.

Annemarie Schauer half in der „oberen Küche“, ihre Schwester in der „Wehrküche“.

Nachdem 1945 ihr Vater ins Konzentrationslager Buchenwald geschafft wurde, wo er 1947 starb, zog sie dann nach Eisenberg, wo sie noch heute lebt.

Auch Frau Rothe arbeitete bis 1945 in der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf. Beide konnten uns auch noch von den letzten Kriegstagen dort berichten, wie alles mit einmal gesprengt werden sollte. In jedes Familienhaus wurde eine Bombe mit einem großen weißen Kreuz geschafft.

Anhand der Abschrift eines Briefes vom 29. Mai 1941 (Anhang) von Dr. Jarmer an die Planungsbehörden lässt sich allgemein etwas zu den beschäftigten Arbeitskräften in einer Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf sagen.

Während im Frieden  200 bis 250 Personen tätig sein sollten, wurden in Kriegszeiten 400 bis 500 benötigt, wobei „(...) Das Verhältnis von männlichen und weiblichen Arbeitskräften 2:1.“ ist.

Sowohl Frau Rothe, als auch Frau Schauer haben uns von einem Ernst Saratka erzählt, der als Feuerwerker zum Entschärfen der Bomben eingesetzt wurde. Sein Name taucht auch in verschiedensten Unterlagen von uns auf. Ihn unterstützten circa fünf Häftlinge, die er ausbildete, um Blindgänger zu entschärfen.

Als es am 9. Februar 1945 durch ein Flugzeug in der Jenaer Straße in Eisenberg zu einem Notabwurf kam, waren es auch Häftlinge aus der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf und nicht wie vermutet aus Buchenwald, die zum Bombenentschärfen geholt wurden. Der Weg von Oberndorf nach Eisenberg ist schließlich auch wesentlich kürzer, wie der von Weimar.

Frau Schauer bestätigte dies und fügte hinzu, dass es Herr Saratka und „seine“ Häftlinge waren, die nach Eisenberg geschickt wurden.

So ist nun auch diese Lücke in der Regionalgeschichte geschlossen worden und auch so manches Gerücht dürfte nun geklärt sein. Obwohl dies viele Leute von Anfang an merkwürdig fanden, wie beispielsweise Linus Präßler.

Er schreibt zur Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf:

„(...) Zunächst war scherzhafter Weise die Rede von einer Schokoladenfabrik. Als aber dann im Laufe des gleichen Jahres SS-Wachmannschaften die Kontrolle über das Gelände übernahmen

wurde wohl klar, was mit der Schokoladenfabrik gemeint war.“ (31)

(29)        bestätigte Dieter Seidel und Annemarie Schauer (gesamte Befragungen im Anhang)
(30)       Annemarie Schauer (gesamte Befragung im Anhang)
(31)        Aussagen Linus Präßler

3.2 Leben und Arbeiten der Häftlinge

Sich vorzustellen, wie die Inhaftierten damals gelebt haben, fällt schwer und lässt sich auch nur schemenhaft rekonstruieren. Wie es sich genau abgespielt hat, wird vermutlich für immer im Dunkeln bleiben.

Wir haben dennoch versucht soviel wie möglich über die Häftlinge zu erfahren, schließlich hatten wir viele Fragen, die Antworten bedurften.

Erging es ihnen wie im Hauptlager Buchenwald?

Oder worin bestanden ihre Aufgaben in der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf?

Betrachtet man die Lage der noch heute zum Teil zu sehenden Grundmauern der Anlage (Fotos im Anhang), so muss man sich vorstellen, dass die Häftlinge schon damals sowohl die Autobahn, als auch die Geräusche der Züge vernommen haben müssen.

So bekommt man noch heute, dort stehend, ein eigenartiges Gefühl.

Die Häftlinge lebten in Baracken, die ähnlich der in Buchenwald gewesen sein müssen, nur kleiner. Man sagt, sie seien über Nacht errichtet oder in einer sehr kurzen Zeit erbaut wurden (32).

Andere Augenzeugen berichten, dass die Häftlinge diese aus eigener Kraft bauen mussten, zuvor hätten sie in Erdlöchern geschlafen. Auch von einer Eisenberger Firma wird geschrieben (33),

sie soll die Baracken errichtet haben. Für beide Aussagen konnten wir bisher allerdings keine Beweise finden.

Obwohl die Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf ohnehin schon eingezäunt war, umgab das Häftlingslager nochmals ein Stacheldrahtzaun (Fotos im Anhang).

Betreffend der Anzahl der Baracken liegen uns unterschiedliche Aussagen vor:

-         von „einer Baracke“ erzählten uns Annemarie Schauer und Anneliese Rothe
-         „4 Baracken“ führt die Arbeitsgemeinschaft „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“ der Friedensschule Hermsdorf auf
-         im Gutachten der Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft werden „3 Baracken“ genannt
-         von „Baracken“ sprechen Harald Weiße und die Klasse 3a der Oberschule Bad Klosterlausnitz

Durch unsere Erkundungen auf dem Gelände gehen wir von bis zu zwei Baracken aus. Es scheint neben diesen Gebäuden einen Sanitärtrakt gegeben zu haben (Fotos im Anhang). Es ist demnach möglich, dass manche Augenzeugen deshalb ein Gebäude mehr vernommen haben.

Auch wir werden in unseren Ausführungen von der Mehrzahl, also „Baracken“ sprechen.         

Beim Errichten dieser wurden an den Bäumen, die schon damals das Lager umgaben, Scheinwerfer angebracht. Sie ermöglichten bei Dunkelheit einen genauen Blick auf die Baracken (34).

Die ersten Häftlinge kamen per Zug am 16. November 1944 aus Buchenwald. Es waren 92 Männer, wobei man für die fehlenden acht Mann, die bis Hundert fehlten, Ersatz schickte und zwar die Häftlinge mit den Nummern 674, 21243, 40961, 48691, 61301, 11837, 37977, 78333.

Die Häftlinge hatten die verschiedensten Nationalitäten, dabei waren Franzosen, Deutsche, Polen, Tschechen, Russen, Serben und  Italiener. Frau Schauer erzählte auch von zwei Holländern.

Jean Vignon, ein Häftling, der mit dem ersten Transport in die Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf kam berichtete:

„(...)Am 16. November 1944 fuhren wir in mehreren Güterwagen von Buchenwald ab. Nach einem sehr langen Aufenthalt auf dem Weimarer Bahnhof sind wir weitergefahren. Die Fahrt dauerte nicht sehr lange, aber an einen genauen Zeitraum, kann ich mich nicht erinnern. Wir kamen auf einem kleinen Bahnhof, auf einem gesonderten Gleisanschluss an; Bomben wurden von Güterwagen abgeladen.“ (Bericht im Anhang)

Dass diese Häftlinge aus Buchenwald kamen, erkannte man nicht zuletzt an ihrer Kleidung. Sie trugen gestreifte Anzüge, die mit einer Nummer und einem Winkel versehen waren. Zusätzlich hatten sie einen Mantel, um sich bei Kälte zu schützen, Holzschuhe und eine Mütze. Auch die Augenzeugen des Todesmarsches beschrieben diese Kleidung, an der sie erkannten, dass es sich um Häftlinge aus Buchenwald handelte (35). Nach Angaben von verschiedenen Berichten gehen wir davon aus, dass keine Frauen dabei waren (36).

Die Häftlinge kamen in die Munitionsanstalt um Bomben zu schleppen, Betonpfeiler zu setzten und Wege zu bauen (37).

Man sagte auch, die Häftlinge seien für die „Außenstapel“ zuständig (38), da sie zum Teil die Munition ausfuhren, um sie im Wald zu häufen. Die so oft beschriebenen Bombenlager wurden demnach von den Arbeitern aus Buchenwald zusammengetragen.

Zu den Aufgaben der Häftlinge schreibt der Zeitzeuge Harald Weiße:

„(...)Diese Häftlinge befestigten außerhalb des Muna-Geländes die Wege, schlugen Schneisen, in Dickungen, bauten Ausweichstellen im Wald und setzten entlang der Autobahn, in Richtung Hermsdorf bis zur Eisenbahn und zurück zum Muna-Gelände Holzsäulen.“

Nach unseren Recherchen erweist sich diese Aussage bezüglich der „Holzsäulen“ jedoch als falsch, denn es wurden schwere Betonsäulen gesetzt.

Weiter berichtet er zu den Bombenstapeln:

„(...) Starke Ochsen schleppten auf schweren Holzschlitten 5-Zentner-Bomben heran, von denen in jeder Schneise 200 bis 250 Stück gestapelt wurden. Diese Bomben hatten noch keine Zünder. An die 4 Ecken eines jeden Stapels kam je eine scharfe 2-Zentner-Bombe.“

(Bericht im Anhang).

Aus einem Bericht einer Arbeitsgemeinschaft „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“ der Friedensschule Hermsdorf geht hervor:

„(...)In den Werkstätten der Muna arbeiteten ungefähr 30 Häftlinge. Die übrigen wurden zum Bau der Umzäunung der Muna, zum Bombenschleppen und Bombenstapeln eingesetzt. Dazu benutzten sie einen Schleppschlitten aus Holz, der von ihnen gezogen werden musste. Die Bomben lagerten in Hallen, die mit Erde bedeckt und bepflanzt waren.“

(Bericht im Anhang)

Die Lebensbedingungen der Insassen waren sehr schlecht, zum einen bedingt durch die lange Arbeitszeit von morgens 6 Uhr bis abends 18 Uhr (39), zum anderen durch die unzureichenden Mahlzeiten.

In der „Wehrküche“ bekamen sie ihre Kaltverpflegung für den Tag, die sie dann im Wald zu sich nahmen. Das Essen bestand nach der Aussage von Annemarie Schauer aus Brot, Butter und Wurst. Von Arbeitern wurde ihnen manchmal etwas zugesteckt. Frau Schauer berichtet, wie sie zwei Holländern oft etwas gab, andere erzählten, von Brotkanten, die sie auf die Fensterbank legten, damit sie sich die Häftlinge nehmen konnten. Natürlich musste das unbemerkt von den Wachen geschehen. Meist wurde das Essen von den Kapo- Führern ausgegeben, die im Häftlingslager eine besondere Rolle spielten.

Das als „Kasernenpolizei“ bezeichnete Personal, waren eigentlich Buchenwaldhäftlinge, die aber sowohl in den Außenstellen, als auch im Hauptlager selbst als Wachen fungierten.

In einer Abschrift eines Berichtes der Forschungsgruppe der Klasse 3a Oberschule Bad Klosterlausnitz steht:

„(...)Das Mittagessen nahmen sie im Wald ein, fast nur salzlose Suppen und ein Stück Brot. Das Wachpersonal saß am Lagerfeuer und beschimpfte die Häftlinge mit hässlichen Reden.“

(Bericht im Anhang).

Anhand von verschiedenen Augen- und Zeitzeugenaussagen haben wir es uns erlaubt folgende Gegebenheiten, die sich im Lager abspielten, zu rekonstruieren:

Der Feuerwerker Ernst Saratka bildete circa fünf Häftlinge aus. Er lernte ihnen, wie sie Blindgänger zu entschärfen hatten. Wie bereits geschildert, starben alle seiner Auszubildenden bei der letzten Entschärfung.

Aufgrund solcher Todesfälle schwankten die Häftlingszahlen. Laut einer Liste aus dem Konzentrationslager Buchenwald, das Kontakt zu den Außenstellen hielt, sanken ab Anfang Januar 1945 die Zahlen sogar.

1.         Januar bis 17. Januar                                        200 Häftlinge
18.       Januar                                                                   199 Häftlinge
19.       Januar                                                                   198 Häftlinge
20.       Januar bis 24. Januar                                        196 Häftlinge
25.       Januar bis 1. Februar                                        195 Häftlinge
2.         Februar bis 4. Februar                                       194 Häftlinge
5.         Februar bis 12. Februar                                     102 Häftlinge
13.       Februar                                                                  100 Häftlinge
14.       Februar bis 17. Februar                                       98 Häftlinge
18.       Februar bis 21. Februar                                        4 Häftlinge
22.       Februar bis 28. Februar                                        3 Häftlinge 

(40)

Bedingt durch die zwei Todesmärsche Anfang Februar und Ende Februar fällt die Personenzahl in diesem Monat drastisch. Über die genaue Abfolge der Evakuierung ist uns allerdings nur wenig bekannt.

Es fällt auf, dass im Januar öfter ein bis zwei Häftlinge fehlen, doch wieso?

Viele Augenzeugenberichte handeln von Fluchtversuchen der Häftlinge, sind sie dabei womöglich umgekommen, nur so lassen sich diese Fehlenden erklären.

Karl Beer (Bericht im Anhang) aus Kraftsdorf beschreibt, wie er eines Nachts durch Schreie wach wurde. Was er erst am nächsten Tag erfuhr, einer der Häftlinge aus der Luftwaffen- Munitionsanstalt Oberndorf war geflohen. Man band ihn daraufhin an einen Baum im Lagergelände, wo er über Nacht durch den strengen Winter erfror. Das bestätigte auch Annemarie Schauer.

Auch Harald Weiße (Bericht im Anhang) aus Bad Klosterlausnitz beschreibt, wie zwei geflohene Häftlinge „(...) von 18 bis 24 Uhr mit erhobenen Händen auf dem Hof des Munageländes stehen.“ In einem weiteren Schreiben führt er auf, was mit ihnen danach passierte:

„(...) An einem Nachmittag, es war im strengen Winter, wurden wir durch Hundegebell auf die Straße gelockt. Soldaten, mit dicken Mänteln bekleidet, das Gewehr im Anschlag, trieben mit Hunden 2 oder 3 Häftlinge im Laufschritt den Schulberg hoch. Sie mussten die Hände über den Kopf halten und rennen.“ (Bericht im Anhang)

Danach sind sie an Bäume gebunden worden, wo sie bei starkem Frost erfroren sein sollen.

Am Morgen seien sie „leblos in den Schnee gefallen“, berichtete die Arbeitsgemeinschaft der Friedensschule Hermsdorf zum gleichen Vorfall.

Besonders Leute aus der näheren Umgebung haben die Ausbruchsversuche genau beobachtet, so schreibt Reinhard Gäbler:

„(...) In einer der vergangenen Nächte war es einem Häftling gelungen, die Autobahn zu passieren; ohne bemerkt zu werden war er bereits durch das Kirchtal gekommen und hatte an der Post in Kraftsdorf die Straße überquert. Es war nach Mitternacht und stockdunkel und dennoch ist er gesehen worden. Der ihn entdeckte, hatte nichts besseres zu tun, als dies zu melden. Die SS- Banditen nahmen mit den Hunden die Verfolgung auf, und ihnen konnte der Häftling nicht entkommen.“ (Bericht im Anhang)

Anneliese Rothe schilderte uns kurz, wie man bei einem Häftling im Lager eine Rasierklinge gefunden hatte, Tags darauf sei er nicht mehr am Leben gewesen.

Anhand dieser Vielzahl von Augen- und Zeitzeugenberichten kann man mit Sicherheit sagen, dass es zu Todesfällen in der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf gekommen sein muss, zum einen durch Unfälle, wie die Häftlinge beim Bombenentschärfen, zum anderen durch Misshandlungen. Nun stellt sich natürlich die Frage, was man mit diesen gemacht hat.

Hat man sie in der Umgebung begraben oder gar verscharrt oder zurück nach Buchenwald transportiert? 

Harald Weiße schildert, wie man die Leichen auf LKWs verladen hat und zurück ins Hauptlager brachte. Die Arbeitsgemeinschaft „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“ der Friedensschule Hermsdorf recherchierte ebenfalls und schreibt:

„(...) Wir nehmen an, daß man die toten Häftlinge außerhalb des Lagers verscharrt hat. Zwei von ihnen sollen auf dem Friedhof in Bad Klosterlausnitz liegen.“ (Bericht im Anhang)

Waren die später gemachten Menschenfunde also Häftlinge aus Buchenwald?

Kurt Steineck berichtet über einen Menschenfund in der „Muna“ im Jahr 1945:

 „(...) Nach Eintreffen der Mordkommission wurde das Grab ausgeschachtet. Darin wurden zwei

männliche Leichen geborgen. Diese Toten hatten KZ-Kleidung an, im Mund zusammengedrehte Damenstrümpfe als Knebel. Der mit anwesende Arzt stellte als Todesursache Einschüsse im Genick und Hinterkopf fest.“ (Bericht im Anhang)

Karl Beer, der ebenso mit am Fundort war, erzählt:

„(...) Die Leichen müssen bereits längere Zeit in der Erde gelegen haben, denn sie stanken fürchterlich. Wie man so allgemein sagt, wie die Pest. Was die Toten anhatten, kann ich nicht mehr genau sagen. Eines weiß ich aber 100 %, sie hatten keine Zivilkleidung an.“

In Hartmannsdorf seien sie anschließend bestattet wurden (41).

Auch noch Jahre später, im Jahr 2000,  fand man Knochenreste in der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf. Sollen dies auch Häftlinge gewesen sein?

Sie gaben vielen Leuten Rätsel auf, so ermittelte auch die Geraer Polizei. Wir haben natürlich auch recherchiert und werden darauf im Punkt 4.1 näher eingehen. 

(32)        Berichtete Anneliese Rothe
(33)        Schrieb Harald Weiße
(34)        Bericht der Augenzeugin Anneliese Rothe    
(35)        Bericht des Augenzeugen Dr. H. Schmidt
(36)        Berichtete Anneliese Rothe
(37)        Archiv der Gedenkstätte Buchenwald Akte Muna Oberndorf
(38)       Berichtete Helmi Pickel aus Bericht “Konzentrationslager Buchenwald Außenlager Munitionsfabrik
            Oberndorf“ erforscht durch Ernst Sachse
(39)      Berichtete Anneliese Rothe
(40)          Archiv der Gedenkstätte Buchenwald Akte Muna Oberndorf
(41)          Zitate von  Beer, Gäbler, Steineck aus Bericht “Konzentrationslager Buchenwald Außenlager 
             Munitionsfabrik Oberndorf“ erforscht durch Ernst Sachse

4.1 Die Knochenfunde in der ehemaligen Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf

Während Räumungsarbeiten wurden am 12. Januar 2000 zum ersten mal menschliche Überreste gefunden. Sie waren in einer Tiefe von 1,50 Meter verscharrt. Gefunden wurden sie nur, weil ein Metalldetektor auf unmittelbar daneben liegende Granatsplitter anschlug. Es wurde angenommen, dass die Skelette von mindestens fünf Männern stammen. Nach Abschluss der Grabungen an der Fundstalle wurden die Überreste von der Jenaer Gerichtsmedizin untersucht. Man wusste weder wer die Toten waren, warum sie starben, noch von wem sie verscharrt wurden.

Der Gutachter Dietmar Staude konnte jedoch zumindest die Zeit eingrenzen, in der die Männer ums Leben kamen. Im Jahr 2000 sagte er aufgrund des Luftbildes vom Jahr 1953, dass diese Fundstelle ein künstlich angelegter Graben ist, „also passierte es vor mindestens 47 Jahren“. Ein genaues Todesjahr ist uns jedoch nicht bekannt.

Auch die Identität der Opfer ist bisher noch unklar. Zwar wurde auch eine Gebissprothese gefunden, doch diese half auch wenig weiter. Man konnte daraus schließen, dass es sich bei mindestens einem der Toten um einen älteren Menschen gehandelt hat. Die Prothese hatte auch die Einprägung „Helo 18“, welche bis 1950 bei solchem Zahnersatz üblich war. Zur weiteren Aufklärung wurde die Bevölkerung um Hilfe gebeten. Jeder, der Hinweise zu dem Vorfall machen konnte, sollte sich bei den berichtenden Zeitungen oder bei der Polizei melden. Es gab viel Bürger, die bei der Aufklärung dieses Falls helfen wollten. Bis heute ist nicht geklärt, ob es die toten KZ-Häftlinge waren, ob es Zwangsverpflichtete oder gar Menschen aus den umliegenden Dörfern waren, die vielleicht bei der Entschärfung einer Bombe starben. Des weiteren ist man immer noch im Unklaren über die Todeszeit und die Todesursache (44).

Zu einem zweiten Fund menschlicher Überreste kam es am 26. April des gleichen Jahres. Wieder wurden die Funde durch Grabungen des Kampfmittelräumdienstes gemacht. Die Arbeiten in diesem Gebiet wurden sofort eingestellt. Das Morddezernat in Gera sicherte die Knochen und mit der Suche nach weiteren Leichenteilen wurde begonnen. In einem Bombentrichter fand man in einer Tiefe von 80 cm die Gebeine von vier Menschen. Sie lagen mit dem Gesicht nach unten, eng beieinander. Die Zähne waren gut erhalten und man fand heraus, dass eine der Personen sogar zwei Goldzähne besaß. Es war weiterhin auffällig, dass eines der Opfer ein Loch im Schädel hatte, wobei unklar ist, ob es sich um ein Einschussloch handelt. Zusätzliche Dinge wurden nicht gefunden.

Auch bei diesen Leichen ist die Identität und die Todesursache unklar. Man konnte jedoch aufgrund der Fundstelle darauf schließen, dass die Menschen ihren Tod nach Kriegsende fanden, denn vorher gab es keinerlei Sprengungen auf dem Gelände der Luftwaffen – Munitionsanstalt Oberndorf.

Beim Vergleich der Funde vom Januar und April des Jahres 2000 stellte man jedoch fest, das die Überreste, die zuletzt gemacht wurden deutlich besser erhalten sind (45).
(44)           Ostthüringer Zeitung vom 29.01.2000
(45)           Ostthüringer Zeitung vom 27.04.2000

4.2 Das ehemalige Gelände der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf im Jahr 2002

Seit einigen Jahren werden von Bad Klosterlausnitzer Seite aus Gebäude für eine Behindertenwerkstatt das Arbeiter Samariterbundes (ASB) genutzt (46).

Das bereits bestehende Gewerbegebiet soll ausgebaut werden. Die Straßen werden erneuert und man will somit neue Firmen und neue Investoren in das Gebiet „locken“.

Nach den letzten Räumungsarbeiten soll im Bereich zwischen den Gemeinden Rüdersdorf und Tautenhain ein Schutzgebiet für Flora und Fauna errichtet werden (47).

Außerdem soll ein Wandergebiet entstehen (48).

Am Eingang des „Muna“- Areals befinden sich noch immer Wohnhäuser, die heute zum Jugendwaldheim gehören. Die Diskothek in der ehemaligen Luftwaffen – Munitionsanstalt Oberndorf ist unter Jugendlichen auch weit über unsere Landesgrenzen hinaus bekannt.

Der Motorrad-Club „Holzlandbiker“ ist zusätzlich an vielen Wochenenden Treffpunkt (49).

Auf dem riesigen Gebiet bestehen noch heute Brunnen, sowie eine Kläranlage (von der NVA errichtet) die auch weiterhin genutzt werden (50).

(46)              Ostthüringer Zeitung vom 29.01.2000
(47)              Ostthüringer Zeitung vom 13.03.2000
(48)              Ostthüringer Zeitung vom 24.06.2000
(49)              aus Erkundungen des Geländes
(50)              Aus „Rüstungsverdachtsstandort Luft-Munitionsanstalt 5/IV Oberndorf

Ergebnisse der historischen Erkundung und der Vor-Ort-Begehung“

Ortschronik Bad Klosterlausnitz

4.3 Unsere Bemühungen um die Erhaltung der Reste des Häftlingslagers

Die Forschungen, die wir im Rahmen unserer Seminarfacharbeit angestellt haben, zeigten uns immer wieder, wie schnell die Geschichte in Vergessenheit gerät.

Es ist klar, dass nach so langer Zeit nur noch wenige Augenzeugen darüber berichten können und es gibt nur wenig Überliefertes oder konkretes Faktenwissen, welches irgendwo niedergeschrieben ist.

Kaum ein Jugendlicher weiß heute von der Situation der „Muna“ während des Zweiten Weltkrieges. Dies sollte nicht so bleiben! Es musste etwas gegen das Vergessen und Verdrängen gemacht werden.

Wir bemühten uns sehr unsere Forschungen publik zu machen, um so Aufmerksamkeit zu erregen. Schnell kam uns die Idee einer Informationstafel. Man könne alles wissenswerte zusammenfassen und die schließlich, für jedermann zugänglich, aufstellen. Nicht nur der Standort der Informationstafel stellt ein Problem dar. Bei solch einem riesigen Areal ist das keine leichte Entscheidung, denn steht sie zu weit abseits, wird sie nicht bemerkt.

Das zweite großen Problem ist der Kostenfaktor. Wer sollte eine solche Tafel finanzieren, um eine dauerhafte Erinnerung zu schaffen?

Nicht nur die Infotafel ist eines unserer Anliegen, sondern auch die vorgefundenen Lagerreste. Es ist noch mindestens einer der Grundrisse einer Baracke erhalten und wer weiß – mit den richtigen Gerätschaften sind vielleicht noch mehr Reste zu finden.

Auch die Gedenkstätte Buchenwald hat schon Interesse gezeigt und erwartet den Abschluss unserer Arbeit. Vielleicht entschließt man sich ja doch, etwas zur Erhaltung der Lagerreste beizutragen.

Es würde uns freuen, wenn unsere Arbeit ein Stück dazu beigetragen hat.

5. Die Chronik der Munitionsanstalt von 1934 bis heute:

1934

- Beginn des Bauvorgangs der Munitionsanstalt
- militärische Nutzung
-  in der „Muna“ gibt es Lagerbereich, Fertigungsbereich und Wirtschaftsbereich
- ständige Erweiterung während des Krieges (zuletzt ca. 64 Lagerhäuser)

1944

- Bau des Häftlingslagers und Ankunft der ersten Insassen aus Buchenwald

1945

- Evakuierung des Häftlingslagers
-  „Muna“ Ohrdruf wird evakuiert und es kommt zur Einlagerung der Munition in Oberndorf
- auch Munition der Wehrmacht aus dem Raum Gera wird eingelagert

13.04.1945

- „Muna“ wird von amerikanischen Streitkräften besetzt
- kurz danach Beginn der Sprengungen innerhalb der „Muna“
- große Mengen wurden mit einmal gesprengt
-Verteilung der nicht detonierten Munition im Umkreis

02.07.1945

-Besetzung durch Sowjetarmee
- Weiterführung der Sprengungen (ebenfalls unsachgemäß)

06.09.1946

- durch unsachgemäße Behandlung der Munition kommt es zu Explosion
- fünf Menschen starben dabei

1948

- Beräumungsarbeiten beginnen

März  1951

- beim Ausbau des Jugendwaldheims kam es zu einer Explosion
- zwei Menschen starben dabei

1952

- Beräumung wird eingestellt

1954

- Wiederaufnahme der Beräumung

ab  1956

- Nationale Volksarmee (NVA) nutzt Gebiet zu Schießübungen

1959

- Beräumung wird eingestellt

1980- 1984

- Planung der Beräumung von 240 ha wegen Neubau der NVA

1995

-Bundeswehr beginnt mit erneuter Beräumung (wird 1996 eingestellt)

Trotz jahrelanger Beräumung muss man davon ausgehen, dass nur ein kleiner Teil des Geländes munitionsfrei ist! Es besteht demnach auch heute noch erhöhte Lebensgefahr.

Zusammenfassung

Es war nicht nur für uns manchmal erstaunlich zu sehen, was unsere unmittelbare Umgebung noch für Geheimnisse verbirgt. Nicht selten standen wir in der heutigen „Muna“ und haben uns gefragt, ob wirklich alles so war, wie wir es uns heute nach unseren Forschungen vorstellen.

Durch unsere Recherchen können wir dennoch gewisse Dinge mit Sicherheit sagen. Die Außenstelle das Konzentrationslagers Buchenwald haben wir gefunden, mit eigenen Augen die Überreste gesehen, analysiert und dokumentiert und ihre Existenz nachgewiesen. In einem Zeitraum von November 1944 bis Februar 1945 gab es die Außenstelle mit circa 100 bis 200 männlichen Häftlingen.

Viele Leute aus den umliegenden Dörfern wussten nichts davon, weil das gesamte Gebiet streng geheim war.

Das Häftlingslager selbst war auch für uns schwer zu finden. Die Mauerreste befinden sich  versteckt am Waldrand, übersäht von Gras und Sträuchern.

Nicht nur die Lage konnten wir bestimmen, durch die Augenzeugen gelang es uns, das Leben in der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf zumindest schemenhaft zu rekonstruieren. So hat es während der Existenz des Lagers, Tote gegeben, über deren Verbleib wir allerdings nur wenig erfahren haben.

In der „Muna“ war zwar nur eine Außenstelle von Buchenwald, doch kann man feststellen, dass es den Insassen keineswegs besser erging. Sie hatten schwerste körperliche Arbeit zu leisten, mussten Bomben schleppen, Betonsäulen setzten, Wege bauen und andere Arbeiten leisten. Sie konnten bei „Fehlverhalten“ ebenso bestraft werden, wie im Hauptlager. Dabei war es durchaus möglich, dass sie nach einer Dienstzeit in der Luftwaffen-Munitionsanstalt Oberndorf zurück nach Buchenwald oder ein anderes Konzentrationslager geschickt wurden, diese „Lebenswege“ lassen sich anhand des Nummernbuches der Schreibstube in Buchenwald nachvollziehen, was heute im Archiv der Gedenkstätte aufbewahrt wird.

Auch der Frage nach der Evakuierung sind wir nachgegangen, doch ist dies einer der am wenigsten belegten Aspekte geblieben. Nach einigen wenigen Informationen gehen wir davon aus, dass es einen Transport Anfang Februar 1945 und einen am Ende des Monats Februar gegeben hat, wobei man die Häftlinge von Oberndorf kommend über Kleinsaara, Großsaara, Waltersdorf, Lindenkreuz, Eineborn, Ottendorf bis nach Stadtroda getrieben hat. Dort verliert sich allerdings die Spur.

Nach der Evakuierung  wird die „Muna“ von amerikanischen Streitkräften besetzt und man beginnt mit den Sprengungen, die zum Teil unsachgemäß durchgeführt wurden und in den kommenden Jahren für Beräumungsarbeiten sorgen sollten.

Nach den Amerikanern ist es die Sowjetarmee, die wiederum Sprengungen vornimmt.

Ab 1956 nutzt die Nationale Volksarmee (NVA) das Gebiet als Schießplatz.

In den kommenden Jahren werden die Beräumungen eingestellt, allerdings bereits 1995 durch die Bundeswehr wieder aufgenommnen.

Obwohl die Arbeiten ein Jahr später erneut eingestellt wurden, ist nur ein kleiner Teil des Geländes munitionsfrei. Wir möchten deshalb besonders betonen, dass auch heute noch in der „Muna“,  durch nicht detonierte Munition, erhöhte Lebensgefahr besteht.

Fremdsprachliche Zusammenfassung

Our seminarpaper with the topic “Looking for the Branch of the Concentration Camp Buchenwald near the Air Force Munition Base Oberndorf 5/IV” deals with one part of regional history.

Since there has not been any literature, and there were only a few sources being useful for our work, it was very difficult for us to find out more. But even that did not distract us from continuing the search, this time in an unusual way. We addressed the regional press, and in our articles we asked the public to help us.

We got in touch with eye-witnesses, contemporary witnesses and historians. Visiting the archives of the monument Buchenwald made us find documents, such as lists of prisoners and reports of  eye-witnesses. Those were included into our work.

For a long time the branch at the “Muna” was unknown. Now we could prove the existence of the camp.

Those who were forcibly kept there, had to remain in silence. The whole thing had therefore been top secret.

Nevertheless, the camp existed with about 100 till 200 prisoners in the period from November 1944 until February 1945.

With the help of eye-witnesses we succeeded in reconstructing life at the “Muna”, at least as a scheme.

Though the camp at the “Muna” has only been a branch of Buchenwald, the imprisoned people had an equally miserable life. They had to work hard, had to carry bombs, and had to built stone-pillars and streets. Not behaving correctly, they received the same punishment as in the main camp. Moreover it was also possible that – after a certain period of time in the branch – they were sent back to Buchenwald or to another concentration camp. Those ways of life can be partly traced with the help of the book of numbers of the writing room Buchenwald, which is still being kept in the archives.

In February 1945 the camp was evacuated  and in the following period detonations on the whole area were conducted, partly improperly. Still today the area is highly dangerous.

With this work we have hopefully filled one gap in regional history, and hope to have initiated more research.

Literatur- und Quellenverzeichnis

Archive

Gemeindearchiv Bad Klosterlausnitz Akte: Muna (ohne Reg. Nr.)

Archiv der Gedenkstätte Buchenwald Akte: Muna Oberndorf (ohne Reg. Nr.)

Literatur

Bartel, Walter; Trostorff, Klaus; „Buchenwald Mahnung und Verpflichtung“; VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften; Berlin, 1983

Carlebach, Emil; Grünewald, Paul; Röder, Hellmuth; Schmidt, Willy; Vielhauer, Walter; „Buchenwald ein Konzentrationslager“; Dietz Verlag; Berlin, 1988

Dahm, Volker; Mehringer, Hartmut; Möller, Horst; „Tödliche Utopie“; Im Selbstverlag des Instituts für Zeitgeschichte; München/ Berlin, 2001; 3. Auflage

Pleticha, Heinrich; „Deutsche Geschichte“, Band 11; Bertelsmann Lexikon Verlag; Gütersloh, 1993

Zeitungsartikel

Ostthüringer Zeitung vom:

24.Juli 1994

29.Janunar 2000

13.März 2000

15.März 2000

24.April 2000


Zeitzeugen


Dämmrich, Werner

Grün, Heinz

Rothe, Anneliese

Schauer, Annemarie

Schmidt, Dr. Harry


Weitere
Encarta Enzyklopädie 1999 Suchbegriff: Buchenwald
Begleitheft Todesmärsche
(ohne Angaben)

Weiterführende Literatur

Albertus, Walter; „Das sowjetische Kriegsgefangenenlager im faschistischen Konzentrationslager Buchenwald (1941 – 1945)
auch veröffentlicht in: „Weimar und der Osten. Historische und kulturelle Beziehungen des Thüringer Raumes zu Osteuropa (II)“; Jena 2002