Erlebnisbericht von Albrecht Schröder, Gärtnermeister

Aufgezeichnet nach Tagebuchaufzeichnungen von und persönlichen Gesprächen mit Albrecht Schröder von Stefan Lechner
 

Am 13.10.1913 wurde auf Betreiben des Vorsitzenden des Roten Kreuz S.A. und 1. Vorsitzenden des Landeskriegerverbandes (Geheimrat Schenk - Altenburg), durch Mitglieder des Militärvereins die Hermsdorfer Sanitätskolonnen gegründet. Diese stand unter Leitung des Kolonnenführer Ernst Kunze und des Kolonnenarztes Dr. Schuster. Im Rahmen der Trennung der Großgemeinde Hermsdorf-Klosterlausnitz-Weißenborn trennte sich auch die Sanitätskolonne in zwei selbstständige Einheiten.

Durch Spenden Hermsdorfer Bürger wurde es möglich, am 30.06.1928 den ersten Sanitätskraftwagen für die Hermsdorfer Sanitätskolonne zu kaufen und in Dienst zu stellen. Bereits im ersten Jahr wurden 141 Einsätze damit gefahren, zahlreiche auch auf der Autobahn. Im Jahr 1920 wurde Albrecht Schröder Mitglied der Sanitätskolonne und war zuletzt ihr Leiter. 1933 erfolgte die Gleichschaltung, die Sanitätskolonnen und diese wurden zu DRK Bereitschaften zusammengefasst.
Am 01.01.1945 wurde er vom Landrat in Stadtroda mit der Führung der DRK  Bereitschaft in Hermsdorf beauftragt. Ab 15.01.1945 übernahm er die Sanitätsausbildung des Volkssturms und Sanitätsbereitschaft.

Aus seinen Aufzeichnungen und Erzählungen geht hervor, dass die DRK Bereitschaft am 05.04.1945, nach den ersten Bombenangriff auf Hermsdorf, in der ehemaligen Kirchenholzsiedlung zum Einsatz kam. Es gab dort 9 Leichtverletzte, mehrere Häuser wurden erheblich beschädigt. Seit Tagen kreisten bereits amerikanische Tiefflieger über und um Hermsdorf, hauptsächlich über der Autobahn, der Eisenbahnlinie und der MUNA.

Am 09.04.1945 vormittags erfolgte ein schwerer Bombenangriff auf die HESCHO. Dort gab es 5 Tote, 9 leicht Verletzte und 1 Schwerverletzten. Der schwer verletzte verstarb am 15.04.1945 an den Folgen seiner Verletzungen.  Ein Teil des Handwerkerhauses wurde zerstört, im Gelände II wurde die Sortierung zerstört. Alle Verletzten wurden in die Kegelbahn des Rathauses transportiert.

Am 09.04.1945 mittags erfolgte ein Bombenangriff mit Brand und Sprengbomben auf Hermsdorf. Die Hindenburgstraße (Eisenberger Straße) von der Fleischerei Peuckert, die Tischlerei Klaus, in der Neuen Straße die Böttcherei Gräfe, in der Schulstraße das Elektrizitätswerk, das Haus Jahn und die Schule brannten vollständig aus. Das Café „Rühling“ in der Neuen Straße brannte bis auf die Grundmauern nieder. Eine Frau und zwei Kindern, die sich nicht mehr rechtzeitig retten konnten, kamen dabei ums Leben bzw. verstarben kurz darauf an den schweren Verletzungen. Das tragische dabei, sie waren wegen der schweren Bombenangriffe auf das Ruhrgebiet nach Hermsdorf gekommen. In der Firma Geißler war ein Toter (Fremdarbeiter) zu beklagen.

Am 10.04.1945, 18:30 Uhr erfolgte ein Bombenangriff auf einen, auf dem Anschlussgleis der HESCHO stehenden Militärzug mit Eisenbahngeschütz. Dort musste die Sanitätsbereitschaft 3 tote und 2 verletzt Soldaten bergen.

Am 11.04.1945 vormittags wurde ein Munitionszug bombardiert, der auf dem Eisenbahndamm beim Tunnel stand. Ein Verletzter wurde geborgen. Durch den Luftdruck wurde das Dach des Hauses von Albrecht Schröder in der August-Bebel-Straße 8 abgedeckt und fast alle Fenster zertrümmert. Weitere Häuser im Umkreis wurden beschädigt. Im Rathaus wurde durch Albrecht Schröder eine Verbandsstation eingerichtet, die dauernd mit einer Sanitätswache besetzt war.

Am 13.04.1945 erfolgte Artilleriebeschuss von Hermsdorf, es gab einen verletzten Jungen. Um 14:30 Uhr rückten die Amerikaner ein. Auf dem Rathausplatze  mussten die führenden Personen von Hermsdorf, so der Bürgermeister, der Direktor der Porzellanfabrik Artur Petzsch mit seinem Werkschutzbeauftragten Dorff , ich als Führer des Roten Kreuzes und noch verschiedene Einwohner erscheinen. Dorff war auch Leiter des Ostlagers und sehr brutal gegenüber den Fremd-und Zwangsarbeitern. Die russischen Staatsangehörigen verprügelten nach der Befreiung und hätten ihn sicher auch erschlagen, wenn die Amerikaner dies nicht verhindert hätten. Dorff ging 1946 oder 1947 in die westliche Besatzungszone und wurde dort kurz darauf in einem Puff erschossen.

Ein junger Leutnant, James A. Brown führte eine kurze Vernehmung durch. An Albrecht Schröder richtete er die Frage, ob er Zivilist oder Militärangehöriger sei, da er in der Rot Kreuz Uniform auf dem Platz stand. Als er ihm antwortete Zivilist, frug er: „Wem helfen sie?“ und erhielt die Antwort Freund und Feind. Darauf sagte er: „Weitermachen!“. Frau Marion verheiratete Hühn, aus England gebürtig, dolmetschte diese gesamte Sache. Ihr Ehemann ging vor dem Krieg (Onkel von Wolfgang Hühn) nach England und baute dort ein Porzellanwerk auf.

Auf dem Rathausplatz gab es weiter auch ein Gespräch, wo Karl Hesse aus Klosterlausnitz die Amerikaner davon informierte, dass der Polizist Karl Senf aus Laasdorf, einen amerikanischen Piloten  erschossen hatte. Nach kurzem Gespräch mit Senf stellten die Amerikaner Senf mit dem Gesicht an die Gartenmauer bei Beyer und gaben drei Schüsse aus der Pistole ab. Laut rufend: „Grüßt mir meine Frau und meine Kinder!“ stürzte Senf auf einen Sandhaufen und blieb regungslos liegen. Erst bei angebrochener Dunkelheit gingen Albin Plötner, in seiner Eigenschaft als Sanitäter, zu dem noch auf dem Rathausplatz liegenden Senf, um sich zu überzeugen, was eigentlich mit ihm los sei. Er stellte fest, er lebt noch. Bei dem Amerikaner wurde sofort die Erlaubnis eingeholt, den Verletzten wegzuschaffen. Der Ami erklärte, der Mann ist für uns tot. Er wurde dann mit dem Krankenwagen nach Eisenberg ins Krankenhaus gebracht und lebte bis Mitte der 1960er Jahre als Bauer in Laasdorf.

Nach diesen Ereignissen wurden von den Amerikanern verschiedene Befehle ausgegeben. Es bestand Ausgangssperre von 18:00 Uhr bis 08:00 Uhr. Waffen, Motorräder und Fotoapparate mussten abgegeben werden. Die Sanitätsmannschaften erhielten jeder einen Ausweis, dass sie zu jeder Zeit auf die Straße  durften und auch rund um die Uhr Krankentransporte in die Krankenhäuser Stadtroda, Jena, Weimar und Gera ausführen konnten.

Die Betreuer der Fremdarbeiter in den Barackenlagern hatten das Weite gesucht, so dass eine ordnungsmäßige Verpflegung nicht mehr stattfand. Die Fremdarbeiter plünderten und auch der Mob zerschlug alles was ihm in den Weg kam.

Am 16.04.1945 wurde die Sanitätsstation im Rathaus geschlossen. Albrecht Schröder nahm am 26.04.1945 eine Arbeit in der HESCHO auf, um Abwicklungsarbeiten auszuführen.

Am 02.07.1945 rückte die sowjetische Besatzung. In der HESCHO wurde nach erfolgter Aufräumungsarbeit wieder langsam mit der Arbeit begonnen. Jede Woche fuhr Albrecht Schröder als Beauftragter der HESCHO  zum Gewerbeaufsichtsamt nach Jena und später nach Weimar, um die Lebensmittelzulagekarten für die Beschäftigten zu holen.

Am 31.08.1945 begann auf Anordnung der sowjetischen Besatzung die Demontage in der Hescho.

Am 11.10. 1945 wurde das Rote Kreuz aufgelöst, alle Sachen mussten abgegeben werden.
Am 22.11.1945 war die Demontage der Hescho beendet, die Beschäftigten wurden bis auf unbestimmte Zeit beurlaubt. Am 13.12.1945 wurde der Zwillingsbruder Ernst von Albrecht Schröder auf einer Fahrt nach Erfurt, um dort den sowjetischen Komandanten abzuholen, ermordet. Ein Täter wurde nie ermittelt.
Am 19.12.1945 wurde mit der Verladung der demontierten Maschinen begonnen.

Nachsatz: Albrecht Schröder arbeitete 40 Jahre in den Keramischen Werken Hermsdorf, in verschiedenen Abteilungen und auch als Gärtner. Als Rentner war er noch sieben Jahre als Hausmeister im Kulturhaus der Keramischen Werke tätig. Er war auch immer gesellschaftlich aktiv tätig. So leitete er die Sparte Obst und Gartenbau Hermsdorf und war 50 Jahre lang Gartenfachberater sowie Schulungsleiter des Kreisverbandes der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter.
 
Anhand der Aufzeichnungen von Albrecht Schröder sowie der eigenen Recherchen kann die Liste der Opfer und Gerschädigten
bei den Bombenangriffen auf Hermsdorf wie folgt beziffert werden:
Datum Ort getötet
(sofort + später an Verletzung)
schwer verletzt leicht verletzt Bemerkung
05.04.1945 Kirchenholzsiedlung     9 Erster Angriff
09.04.1945 HESCHO Gelände 6 (1 an den Verletzungen †) 9 Vormittag
09.04.1945 Café Rühling 3 (1 an den Verletzungen †)   Mittag
09.04.1945 Holzbauwerk Geißler 1     Mittag
10.04.1945 HESCHO Werksanschluss Munitionszug 3   2 Wehrmachtsangehörige
13.04.1945 Ortsgebiet, Granatbeschuss     1 Vor Einmarsch Amerikaner.
           
  Summe 13 enthalten bei † 21