Erich Walther

* 15.02.1908
† 14.01.2006
 
Zur Festveranstaltung am 10.01.2006 wurde Erich Walther - der damals älteste Einwohner von Hermsdorf - mit dem Ehrenpreis der Stadt Hermsdorf ausgezeichnet. Krankheitsbedingt konnte er an der Festsitzung nicht teilnehmen. Am 11.01.2006 erhielt er den Preis zu Hause überreicht. Kurz vor seinem 98. Geburtstag verstarb Erich Walther.
Erich Walther aufgeschrieben von Friedmar Kerbe Ergänzungen Stefan Lechner

Erinnerungen an die Uhlandstraße - Hermsdorfs ältester männlicher Einwohner kramt im Schatzkästlein seiner Erinnerungen

 
1947 1952
1947 - 25-jähriges Betriebsjubiläum 1952 - 30-jähriges Betriebsjubiläum
 

Auch Straßen haben ihre Geschichte, die für die Allgemeinheit oft im Verborgenen liegt. So auch die Hermsdorfer Uhlandstraße, deren Name nichts von ihrer eigenen Historie preisgibt.

Es war 1906, exakt vor 100 Jahren, als im sächsischen Freiberg eine Porzellanfabrik die Produktion von Elektroporzellan aufnahm. Sie war von der Hermsdorfer Filiale der Kahla AG projektiert, gebaut und ausgerüstet worden. Denn bereits 1904 war infolge rapider Nachfrage nach Elektroporzellan die Erweiterung der Hermsdorfer Fabrik so weit fortgeschritten, dass man damals nicht mehr mit einer unbedingten Erweiterungsfähigkeit auf lange Sicht rechnen durfte, „... sollten nicht die Bevölkerungs- und Lebensverhältnisse der durchaus ländlichen Gegend eine völlige Verschiebung erfahren. Man war demzufolge für die Neuanlagen der Zukunft vor die Wahl eines anderen Ortes gestellt, und die Entscheidung fiel auf die Stadt Freiberg (Sachsen)...“

Ab 1922 waren dann beide Porzellanfabriken zusammen mit der Margarethenhütte und weiteren Fabriken unter dem Dach der HESCHO vereint. In Freiberg wurde 1921 mit einem in jeder Hinsicht mustergültigen Siedlungsbau für Werksangehörige in der Frauensteiner Straße und im Bertholdsweg begonnen, und zwar Reihenbebauung mit vorwiegend Einfamilienhäusern. Zu jeder Wohnung gehörte ein kleiner Garten, der mit Nutz- und Zierbeeten sowie mit Obstbäumen bepflanzt den Mietern übergeben wurde. Eine der Wohnungen wurde vom Architekten der Porzellanfabrik sogar vollständig eingerichtet und als Musterwohnung präsentiert.

Vergleicht man nun die Reihenhäuser am Freiberger Bertholdsweg mit denen in der Hermsdorfer Uhlandstraße, dann stellt man eine verblüffende Ähnlichkeit fest. In Hermsdorf wurden die Häuser der Uhland- und wohl auch der benachbarten Lessingstraße ab 1922 gebaut. Da die HESCHO in Freiberg in den 1920-er Jahren über eine eigene Bauabteilung verfügte, ist die architektonische Ähnlichkeit von Bertholdsweg (Foto unten links) und Uhlandstraße (Foto unten rechts) wohl so verwunderlich nun auch wieder nicht.

Freiberg      Uhlandstrasse
 

In der Porzellanfabrik Freiberg erlernte ich ab 1922 für 4 Jahre den Beruf eines Matrizenschlossers und war anschließend in meinem Beruf dort auch tätig. Mit Schließung der Freiberger Porzelline Ende 1931 fand ich, wie zahlreiche andere Facharbeiter, Techniker und Technologen, in der Porzellanfabrik Hermsdorf eine Arbeitsstelle. Hier durfte ich mit meiner Frau im Jahre 1936 eine freigewordene Werkswohnung in der Uhlandstraße Nr. 1 beziehen. Auch das Hermsdorfer Werk war am Verbleib guter Fachkräfte interessiert. Eine Verpflichtung war aber mit diesen Werkswohnungen verbunden: Die Mitgliedschaft in der Werksfeuerwehr. Dazu waren in bestimmten Wohnungen Alarmglocken installiert (an der Fassade von Haus Nr. 1 weisen noch heute 5 rote Feuermelde-Isolatoren darauf hin). Fortan war ich mehr als 30 Jahre lang Kamerad der Feuerwehr und hatte dadurch auch 1945 den Vorteil, sofort nach dem Zusammenbruch im Werk zur Aufrechterhaltung der Sicherheit weiter beschäftigt zu werden. Besonders in den Kriegsjahren waren wir Feuerwehrmänner sehr gefordert, da wir oft über Nacht im Bunker in Bereitschaft lagen und frühmorgens wieder pünktlich am Arbeitsplatz erscheinen mussten.
Doch zurück zu den Anfängen der Uhlandstraße. Es war das Gelände zwischen der Bahnhofsvorstadt, die bis in die 1920er Jahre zu Klosterlausnitz gehörte, und dem Berg. Die einzige Fahrstraße war die Schillerstraße, die den Raudenbach quasi auf einem Damm überquerte. Beim großen Hochwasser 1932 staute dieser Fahrdamm die Wassermassen im oberen, westlichen Teil der Talsenke, sodass sich ein regelrechter See bildete (Fotos unten). Die gesamte Talsenke war bis hin zur heutigen Kläranlage und weiterführend bis zur „Hirschwiese“ unbebaut, den Abschluss bildeten der Wald und die Straße Am Bahnhof.


Hochwasser 1932


Etwa ab Mitte der 1930er Jahre fuhren tagtäglich Pferdegespanne, z. T. aus Oberndorf, den in der Porzellanfabrik anfallenden Schutt zur Auffüllung in die Talsenke des Raudenbaches. Die damit erforderliche Verrohrung des Baches führte bis zur Kläranlage. Im Krieg diente die Rohrleitung bei Fliegeralarm für die Anlieger als Schutzraum. Mit Auffüllung und Einebnung der Talsenke wurde der Boden für das Anlegen von Nutzgärten in den Nachkriegsjahren geschaffen. In den letzten 60 Jahren hat sich die spätere Gartenanlage Schillerstraße von einer aufgeschütteten Brachfläche zu einer grünen Oase der aktiven Erholung entwickelt. Das Vereinslokal der Gartenanlage „Schillerstraße“, die „Kohlrabischänke“, wurde zu einer beliebten Einkehr und über allen wachen noch heute zwei großen Buchen, wohl die ältesten Zeugen dieses Areals.

Uhlandstrasse
Blick auf die Uhlandstraße aus Richtung Körnerstraße (heute Heinrich-Heine-Straße) um 1930/32.
Links am Rand die Häuser in der Schillerstraße. Die beiden Häuser ganz oben befinden sich in der Lessingstraße.

Nachstehend einiges zur Bebauung der Uhlandstraße. Während die Häuser der Lessingstraße von ihrer architektonischen Gestaltung her sowie bezüglich Zimmergröße und -anordnung vorwiegend für Beamte bestimmt waren, war die Bebauung der Uhlandstraße insgesamt schlichter. Doch der Wohnkomfort war für die damaligen Verhältnisse höher als in so manchen Wohnungen Alt-Hermsdorfs. Und er wurde noch verbessert. Waren anfangs die Abortes noch im Treppenhaus als Trockenklos, so wurden später Wasserspülungen installiert. Das war allerdings mit dem Nachteil verbunden, dass die Spülkästen bei starkem Frost einzufrieren drohten. Also mussten sie öfter vor den Nachtstunden entleert werden. Die Klärgruben wurden nach Bedarf von Landwirten geleert. Mit der späteren Kanalisation wurde dahingehend eine wesentliche Verbesserung erreicht.

Die Verlängerung der Uhlandstraße bis zur August-Bebel-Straße führte über das Privatgrundstück von Sägewerksbesitzer Friedrich Kraft. Nach Grundstücksaustausch war ein Straßenausbau möglich, auch ein Bürgersteig, teils mit Geländer, wurde später zur Sicherheit der Fußgänger gegenüber dem zunehmenden Verkehr angelegt.

Wasserentnahmestellen waren ursprünglich in den 4 Wohneinheiten der Häuser Nr. 1 und 2, jeweils nur eine direkt im Haus und eine zusätzlich im Waschhaus, installiert. Bäder wurden erst in den 1930er Jahren eingebaut, und zwar durch Verkleinerung der Küchen. Die Küchen hatten einen gusseisernen Herd und in der Wohnstube war ein Kachelofen. Die Mieter verfügten außerdem über einen Keller sowie Abstell- und Bodenraum. Die ursprünglich jeder Wohnung zugeordneten Hausgärten wurden später abgeschafft - es stand jedem Mieter frei, beim Gartenverein einen Kleingarten zu pachten. Die Mieten waren für die damaligen Verhältnisse relativ niedrig.


Wer waren nun um 1937 die Bewohner der Uhlandstraße, die in der HESCHO arbeiteten? Wir wohnten in Nr. 1 zusammen mit den Familien der Porzellandreher Gustav Gentzsch und Christoph Leukhardt sowie Hermann Diener, Meister im Massekeller und gleichzeitig Leiter der Werksfeuerwehr. Gegenüber in Nr. 2 wohnten die Familien Franz Bartosseck (Betriebswachmann), Emil Burgold (Betriebswachmann), Louis Sacklowski (technischer Zeichner) und Julius Serfling (Betriebssanitäter). An zahlreiche weitere Bewohner jener Jahre kann ich mich noch erinnern: Die Porzellandreher Paul Burgold, Willy Rosenkranz und Max Frenzel, Eisendreher Emil Schmidt, Matrizenschlosser Georg Walther und Anton Weiß, Modelleinrichter Hans Lohse, Schlossereimeister Edmund Unger, Angestellten Willy Wolf sowie die Fabrikarbeiter Emil Pechmann und Emil Walther.

Ergänzend seien auch einige Bewohner der Lessingstraße genannt: Der praktizierende Arzt Dr. Paul Biering, der spätere Prof. Dr. Fritz Obenaus, Dr. Walther Schneider, die kaufmännischen Angestellten Albin Bratfisch, Otto Burgold und Erich Herbst, die Handelsbevollmächtigten Arno Hädrich und Moritz König, die Lehrer Karl Jahn und Walter Schmidt, die Ingenieure Friedrich Mayer, Werner Kraft und Willy Werner, die Diplom-Ingenieure Friedhelm Steyer und Joseph Wallich, Brennmeister Adolf Nehiba, Meister der Weißbearbeitung Fritz Sosath, Modelleur Richard Mehler, Matrizenkonstrukteur Otto Storch und Baumeister Paul Ziesche.

In den Nachkriegsjahrzehnten trat ein häufiger Wechsel unter den Mietern ein. Dies besonders in den 1960er Jahren im Zuge des Abrisses vieler Häuser in der Naumburger Straße zwecks Erweiterung der KWH. Auch ich bin schließlich 1980 mit meiner Frau in die Waldsiedlung in eine 2-Zi.-Neubauwohnung mit Fernheizung umgezogen. Und mit mir gezogen sind unvergessliche Erinnerungen an schwere und zugleich schöne Jahrzehnte in der Hermsdorfer Uhlandstraße! Ihren jetzigen Bewohnern einen herzlichen Gruß in alter Verbundenheit!

 
1956 Spinnstube
Die Ehefrau von Erich Walter, Rosel Walther, geborene Stahl †, im Jahr 1956
zum Festumzug im Bild "Spinnstube" (mit Gitarre).
 
Oktober 1985 Goldene Hochzeit
Im Oktober 1985 feierten Rosel und Erich Walter (links) Goldene Hochzeit.
Am Tisch rechts sitzt Helmut Engelmann.