Aus der Geschichte des Saale - Holzland
 
Sagen aus dem Thüringer Holzland

Die Nebelfrau von Hainspitz

Die tapfere Magd

Der Goldbrunnen von Tautenhain

Bestrafte Schadenfreude

Der Weinkeller am Weißen Berg

Das Gespenst unter dem Weißen Berg

Der Nachtwächter gab falschen Alarm

Die Sage vom wilden Heer

Die Sage vom Irrwisch

Die Sage vom Otternkönig

Die Sage von der Rabsburg

 

Die Nebelfrau von Hainspitz

Es war einmal das frühere Rittergut in Hainspitz eine Wasserburg. Vor der Burg war an der Westseite ein Damm zur Eindämmung des Sees, rings um die Burg ein Wall errichtet worden. Dieser mit Wasser gefüllte Wall - auch Waal genannt - sollte den Feinden einen Einfall verwehren. Eine Zugbrücke stellte die Verbindung mit der Außenwelt her. Die Burg bewohnte ein strenger und harter Ritter mit Frau und Tochter. Die Tochter war bildschön und vom Vater einem älteren, aber reichen Zechkumpan versprochen worden. Gegen diesen hatte sie eine Abneigung. Die Strenge des Vaters führte dazu, dass die Tochter nie ohne Begleitung die Burg verlassen durfte; nur im Lustgarten, innerhalb der Burg, konnte sie sich allein ergehen. So saß sie auch einmal an einem schönen Tage dort und blickte sehnsüchtig über den Wall hin nach dem mit mächtigen Bäumen bestandenen Park. Plötzlich hörte sie Harfenspiel von dort herübertönen. Sie ging zum Ufer und sah einen schönen jungen Mann, der sie grüßte und wieder die Harfe spielte. Jeden Tag sahen sich nun die jungen Menschen, verliebter sich ineinander, nur zusammen konnten sie nicht kommen. Als jedoch eines Tages der strenge Vater abwesend war, besorgte sich die Tochter den Schlüssen zur Zugbrücke, ließ sie herab und traf mit ihrem Minnesänger zusammen. Das ging eine Zeit gut, bis der Ritter einmal die Liebenden überraschte. Nun durfte die Tochter nicht mehr aus dem Hause, auch der Lustgarten war ihr verboten. So wurde sie gemütskrank. Trotzdem sollte die Hochzeit mit dem älteren Ritter stattfinden. Am Abend vorher wurde ein wüstes Zechgelage veranstaltet. Bei der Trunkenheit aller entfloh die Tochter über die versehentlich nicht hochgezogene Zugbrücke und ertränkte sich im See. Seit dieser Zeit sieht man öfters, zumal im Herbst und bei Nebelwetter, eine von einem Schleier umwehte weiblich Gestalt, vom Eckstein aus, der an der Wegecke lag, dem See zuschweben.
 
 

Die tapfere Magd

Mitten in Hermsdorf, dort wo die alte Regensburger Straße die fast rechtwinkelige Biegung macht, liegt breit und behäbig der Fuhrmannsgasthof „Zum Schwarzen Bär“. Eine mächtige, überbaute Toreinfahrt zeigt den Weg zu einem geräumigen Hof, auf dem eine große Anzahl von hochbepackten Fuhrmannswagen auffahren konnte. In diesem alten Gasthofe soll sich folgende Geschichte zugetragen haben: Es war zur Herbstzeit. Der Wirt vom Gasthof „Zum Schwarzen Bär“ war mit seinen Leuten nach Klosterlausnitz zur Kirmes gegangen. Die vielen Landfuhrleute, die im Gasthofe ausgespannt hatten, hatten sich mit ihren Knechten angeschlossen. Auf den Landstraßen, die durch das Holzland führten, war es zu jener Zeit recht unsicher; denn eine Anzahl Räuber trieb dort ihr Unwesen. In jener Nacht schlichen sich um die Mitternachtsstunde siebzehn verwegene Gesellen an den „Zum Schwarzen Bär“ heran. Sie hatten es auf das Geld des begüterten Wirtes und auf die Fuhrmannsgüter in den Wagen abgesehen. Nur die Hausmagd Sabine war zurückgeblieben und hatte den Auftrag, das Haus zu hüten. Zufällig betrat sie um Mitternacht eine Kammer, von der aus sie, auf die vom Monde erleuchtete Straße blickend, die unheimlichen Gesellen gewahrte. Da sie nichts Gutes ahnte, nahm sie die großen Torschlüssel aus dem Schlüsselschrank und eilte an die beiden Tore, die sie gerade noch verschließen konnte, ehe die Räuber durch diese in das Anwesen eindringen konnten. Nun umkreisten die Diebe den Gasthof und suchten nach einer geeigneten Stelle, von der aus sie in das Gehöft gelangen könnten. Sie fanden ein kleines Kellerfenster, das nicht verschlossen war. Sabine erschrak bei dem Gedanken, dass die räuberischen Gesellen durch diese Fensteröffnung Eingang in das Haus finden würden. Bald aber hatte sie sich wieder von ihrem Schrecken erholt und tastete sich behutsam in den Keller , um das offen stehnde Fensterchen zu schließen. In diesem Augenblicke war der Hermsdorfer Helfershelfer der Räuberbande im Begriff, sich durch die enge Öffnung des Kellerfensters hindurchzuzwängen. Sabine versetzte ihm einen Schlag, zog den Bewusstlosen in den Keller und sperrte ihn in einen Nebenraum ein. Kaum hatte sie das getan, da versuchte der zweite der beutelüsternen Burschen, in den Keller zu gelangen. Ihm erging es genauso wie seinem Kumpanen, dem dritten Einbrecher desgleichen. Den draußen noch wartenden 14 Spießgesellen wurde es nun unheimlich zumute; denn die hörten durch die Kellerfensteröffnung keine Stimme heraufdringen, auch wurden ihnen die Tore nicht geöffnet, wie man verabredet hatte. Unschlüssig standen sie im Schatten des Hauses und Beratschlagten. Da hörten sie Stimmen auf der Dorfstraße. Der Wirt und die anderen Kirmesbesucher kehrten heim. Sabine verständigte sie schnell über alles, was vorgefallen war. Die Räuber ergriffen schleunigst die Flucht, wurden eingeholt und erhielten bald die verdiente Strafe. Die tapfere Sabine aber wurde, als sie der Peter heiratete, Wirtin im Gasthofe „Zum Schwarzen Bär“. Der Gasthof „Zum Schwarzen Bär“ wird in der Backschen Chronik von Eisenberg (1843) als ältestes und ansehnlichstes Gebäude des Ortes bezeichnet, zu dem der meiste Grundbesitz gehörte, das seine eigene Brauerei und viele Privilegien hatte.
 
 

Der Goldbrunnen bei Tautenhain

Bei Tautenhain liegt im Walde ein alter versandeter Brunnen, der jetzt statt klarem Wassers nur trüben, schmutzigen Schlamm enthält. Früher freilich war es anders. Da war das Wasser des Brunnens silberhell, dass man fast bis auf den Grund sehen konnte, und die Sage berichtet, dass er flimmernde Goldkörner enthalte, von denen manch Glücklicher einige gefunden habe. Daher nannte man und nennt man den Brunnen auch jetzt noch den Goldbrunnen. Als der Brunnen noch hell und klar war, da kam jedes Jahr um Johannis ein zerlumpter, welscher Mausefallenhändler. Immer machte er sich um den Goldbrunnen herum zu schaffen, und im Volke hieß es, er sei ein reicher Mann aus Italien, der sich in der schlechten Verkleidung unendlich viel Gold aus dem Brunnen hole und mit sich nach Hause nehme. Darüber war der Förster sehr erzürnt und beschloss, den Fremden, wenn er des nächste Mal wiederkäme, zur Rede zu stellen und ihm das Goldholen ein für allemal zu verbieten. Denn er gönnte dem Fremden die Schätze nicht und wollte sie gern für sich selber haben. So ging er eines Morgens nach dem Goldbrunnen und sah dort eine schöne, weiße Hirschkuh weiden. Das seltene Wild zu erlegen, legte der Förster an und wollte eben abdrücken, als sich die Hirschkuh in einen Menschen verwandelte, in dem er den welschen Mausefallenhändler erkannte. Der Förster redete den Fremden barsch und gebieterisch an und, als dieser ihm keine Antwort gab, warf er voll Wut ein schweres Holzscheit nach ihm, das den Mann so hart an den Kopf traf, dass er tot zur Erde stürzte. Der Förster aber eilte in Angst und Reue nach Hause; doch auch dort ließ ihn das Bild das Erschlagenen nicht Ruhe finden. Das vergossene Blut lastete schwer auf seiner Seele, und nicht eher ward es stiller in ihm, als er beschloss, selbst nach Italien zu gehen, um zu erfahren, ob er wirklich den Fremden durch seinen Wurf getötet habe. Vor dem Dorfe aber nahm ihn eine Wolke auf, die ihn wie ein Wirbelwind forttrieb und an den Stufen eines prächtigen Palastes in Venedig niederließ. Während sich hier der erschrockene Förster umsah, kam ihm der tot geglaubte Fremde in prächtigen Kleidern, aber mit verbundener Stirn entgegen und empfing den Verlegenen freundlich und herzlich. Dann führte er den erstaunten Förster in herrliche Zimmer und suchte ihn zu beruhigen, indem er ihm erzählte, dass er seit 20 Jahren jeden Sommer Gold aus dem Goldbrunnen geholt habe; jetzt aber nicht wiederkommen werde, weil nun die Quelle auf hundert Jahre versiegen müsse. Dann bewirtete er seinen Gast prächtig und brachte ihn zuletzt in ein wundervolles Bett, in dem der Förster bald einschlief. Als er erwachte, lag er auf einer grünen Wiese vor seinem Heimatdorfe; in dem Ranzen aber, den auf dem Rücken trug; fand er viel, viel Gold, das ihm der freundliche Italiener mitgegeben hatte. Der Förster zog bald von Tautenhein fort, weil er nicht länger an dem Orte leben mochte, an dem er Beinahe zum Mörder geworden wäre. Der Goldbrunnen aber steht heute noch. Ob die hundert Jahre noch nicht vorüber sind oder ob sein Wasser nie wieder strömen wird? Wer mag das wissen? Wenn es aber wieder emporsteigen wird aus Nacht und Tiefe, dann kann sich Gold aus ihm holen, wer will und soviel er begehrt. Es sei ihm von Herzen gegönnt!
 
 

Bestrafte Schadenfreude

Einem Manne in Rüdersdorf war es gelungen, einen Schatz zu heben. Als er aber den Topf näher besah, fand er ihn statt mit Geld mit Kehricht angefüllt. Heimlich schlich er sich damit vor das Haus seines Nachbarn, mit dem er schon seit Jahren in Feindschaft lebte, öffnete das Fenster und entleerte den Inhalt des Gefäßes. Damit hatte er sich aber selbst den größten Schaden getan, denn zu seinem Erstaunen besserten sich die Verhältnisse des bisher armen Mannes zusehends. Er kaufte ein Grundstück nach dem anderen und war bald der Reichste im Orte. Sein Feind hatte ihm das Geld zum Fenster hineingeworfen.
 
 

Der Weinkeller am Weißen Berge

Zu dem kleinen Raubschloss gehörte auch ein großer Weinkeller, der sich, wie die Sage erzählt, noch heute im Weißen Berge befindet. Sein Eingang ist freilich von Steingeröll verschüttet und daher nicht mehr zu sehen. Dazu bewachen ihn zwei große schwarze Hunde, deren unheimliches Bellen der Wanderer, wenn er etwa in später Nachtstunde auf der einsamen Waldstraße daherkommt, am Weißen Berg hören kann. In dem verborgenen Weinkeller sollen noch viele Wein gefüllte Fässer liegen. Sonntagskindern ist zu manchen Zeiten der alte Weinkeller geöffnet. Zur Sommerzeit war einmal ein kleiner Knabe aus dem nahen Dorfe Bobeck am Weißen Berge in den Heidelbeeren. Um die Mittagszeit schickte er sich an zum Heimgehen. Da er nun den Berg hinaufstieg, sah er vor sich eine große, weite Höhle. Er stand am Eingang eines weiten Kellers. Riesige Weinfässer lagen hier aneinandergereiht. Furchtlos trat der Knabe ein. Der Keller schien aber gar kein Ende zu haben. Dem Kleinen wurde doch zuletzt angst. Er schlich wieder hinaus. Daheim erzählte er von der gemachten Entdeckung. Vater und Mutter saßen gerade bei der Mittagssuppe und hörten mit Erstaunen, was ihr Söhnchen da gesehen haben wollte. Der Vater sprach: “Na, da will ich doch gleich einmal mit hinausgehen und mir den großen Keller ansehen!“ Nachdem der Knabe sein Mittagsbrot eingenommen hatte, ging der Vater mit ihm hinaus an den Weißen Berg. Als sie an Ort und Stelle waren, rief der Knabe: “Sieh, Vater, dort ist der Keller!“ Der Vater blickte nach der angegebenen Richtung und sieht ein langes, kellerartiges Gewölbe vor sich. In demselben Augenblick bebt die Erde. Ein donnerartiger Krach, Steine rollen übereinander, und von einem Kellereingange ist nicht eine Spur mehr zu sehen. Bis heute hat aber noch niemand diesen sagenhaften Weinkeller wieder aufgefunden.
 
 

Das Gespenst unter dem Weißen Berge

Beim Rundteile unterhalb des Weißen Berges, da, wo der von Bobeck nach Schleifreisen führende Fußweg die Landstraße kreuzt, ist es zur Nachtzeit gar nicht geheuer. Dort lässt sich ein Gespenst sehen, das schon manchen Wendersmann erschreckt hat. Ein geheimnisvoller Sarg zieht quer über die Straße. Dann haben Leute gesehen, wie hier am Tage, besonders zur Winterszeit, eine alte Frau wehklagend durch den Wald schleicht und etwas sucht. Beherzte haben ihr zugerufen, was sie denn suche und wohin sie wolle. Die Antwort war immer ein tiefer Seufzer. Die gespenstische Erscheinung am Rundteile unterhalb des Weißen Berges bringe man mit folgendem Geschehnis in Verbindung: Vor Jahren war eine alte Frau aus Schleifreisen zur Winterszeit bei ihrer Tochter, die in Bobeck verheiratet war, zu Besuch. Hier aber erkrankte sie schwer und starb nach wenigen Tagen. Die Verstorbene sollte aber nicht in Bobeck beerdigt werden, sondern in ihrem Wohnorte. Am Tage vor dem Begräbnisse holten zwei Männer von dort die Tote ab. Sie hatten dazu einen Handschlitten mitgebracht, auf den sie den Sarg setzten. Nun war es, dass die beiden derber „Holzländer“ im Bobecker Gasthofe etwas mehr dem Branntwein zugesprochen hatten, als es eigentlich erlaubt war. Nicht wenig betrunken traten sie den Heimweg an. Es war ein ernst - heiter Anblick, wie sie, bald rechts, bald links taumelnd, den Sargbeladenen Schlitten keuchend dahin zogen. Eine Schar Kinder lief lachend hinterher. Bald kehrten die meisten aber wieder um, weil die Kälte zu grimmig war. Nur zwei kleine Knirpse folgten dem Schlitten noch eine längere Strecke bis an den Wald in der Nähe der Landstraße. Hier wollte es das Verhängnis, dass der Schlitten an einen sich in den Weg drängenden Baum schlug, infolgedessen das Gleichgewicht verlor und den Sarg abwarf. Zum Unglück war der Sargdeckel noch nicht aufgenagelt! Darum geschah es, dass dieser abfiel und die in dem Sarge liegende Frau in den Schnee geschleudert wurde. In ihrem Dusel aber hatten die beiden Männer, die den Schlitten zogen, von dem Vorgefallenen nichts bemerkt. Sie trollten ruhig weiter, als sei nichts geschehen. Da schrieen die ihnen folgenden Buben aus Leibeskräften nach: “Ihr habt die Frau verloren!“ Dieses Schreien rüttelte die beiden betrunkenen Männer doch auf. Sie blieben stehen und schauten sich um, setzten den Sarg wieder auf den Schlitten und legten die tote Frau hinein. Dabei mochten sie aber nicht gerade sanft verfahren sein; denn wie die Knaben daheim erzählen, habe der eine Mann gesagt :“Na, altes Weibsen, da schert euch nur wieder nein!“ Nun war es aber geschehen, dass ein Pantoffel der Toten im tiefen Schnee verloren gegangen war. Die Männer suchten, konnten ihn aber nicht finden. Sie schlossen den Sarg, und die Tote wurde ohne den Pantoffel begraben. Seit dieser Zeit soll nun die Frau in jenem Walde umgehen und den verlorenen Pantoffel suchen. Und solange sie ihm nicht findet, hat sie keine Ruhe im Grabe.
 
 

Der Nachtwächter gab falschen Alarm

Bis in die letzten Jahre des vorigen Jahrhunderts hatte Kleineutersdorf seine Nachtwächter. Einer von ihnen war ein alter, treuer Kerl, der das volle Vertrauen der Dorfbewohner besaß. Nun war ein stürmischer, unfreundlicher Spätherbstabend. Unser Nachtwächter ging deshalb vor Antritt seines Dienstes in den Gasthof „Zum Rieseneck“ und ließ sich einige ordentlich „Faustpinsel“ einschenken. Als er aus der warmen Stube ins Freie trat, ging gerade der Mond blutrot hinter der Leuchtenburg auf, und ein kalter Wind pfiff die Dorfstraße entlang. Am oberen Dorfteiche, der wegen des Regenwetters der letzten Tage bis zum Rande gefüllt war, blieb er stehen und blies die Uhrzeit. Da es ihn fröstelte, griff er nach seiner Schnapsflasche, die er stets in der Rocktasche bei sich trug, und nahm einen kräftigen Schluck. Nachdem er am anderen Ende des Dorfes angekommen war, tat er aus seinem Schnapspuffer den letzten Zug. Der Alkohol erwärmte ihn innerlich und beflügelte seine Phantasie. Er machte nun einen Bogen um die Schule herum, ging an dem anderen Teiche vorbei und kam wieder auf die Hauptstraße. Wie er in sich versunken mit hochgeschlagenem Rockkragen langsam dahin schritt, blieb er plötzlich erschrocken stehen - denn er sah einen Feuerschein. Sofort blies er Feueralarm, kehrte um und rannte dem Spritzenhaus zu. Als er dort ankam, waren bereits einige Männer mit dem Herausholen der Spritze beschäftigt. „Wo brennt`s?“ riefen sie hastig. „Beim oberen Teich“. Schnell ging es mit der Spritze die Dorfstraße hinauf. Man sah aber in der Nähe des Teiches kein Feuer und roch auch keinen Rauch. Alles war ruhig, und der Mond spiegelte sich in dem trüben Wasser. „Na, wo ist denn dein Feuer?“ Der brave Nachtwächter kratzte sich hinter den Ohren und brummte: “Soll mich gar der Mond genarrt haben?“ „Oder der Schnaps!“ meinte schlagfertig ein Bauer. Sie gingen nun mit ihm nach der Stelle, von der aus er den Feuerschein bemerkt haben wollte und sahen allerdings, wieder große Mond sich auffallend in dem Teiche spiegelte. Alle lachten sich eins, man nahm es dem Alten nicht weiter übel und war froh, dass die Sache nicht ernst war.
 
 

Die Sage vom wilden Heer

In früheren Zeiten hat sich das wilde Heer häufig bei Hermsdorf sehen lassen. Ein alter, noch jetzt vorhandener Birnbaum (Seidemanns Birnbaum) war die Stelle, wo sich nachts die Teilnehmer sammelten. Von da zog es fort, immer hinter den Gartenzäunen weg, mit großem Lärm. Wer dem Haufe begegnete, dem war zu raten, stille zu sein, dann geschah ihm nichts.
 
 

Die Sage vom Irrwisch

Zwischen der Reichenbacher Straße und der Regensburger Straße breitete sich früher ein schauerlicher Sumpf aus, in dem man des Nachts Irrwische oder Irrlichter im bläulichen Licht tanzen sah. Ein Bursche ging einmal in der finsteren Nacht von Reichenbach nach Hermsdorf. Da sah er ein Irrlicht schimmern. In seinem Übermut beschimpfte er es und rief: „Rotstrumpf! Rotstrumpf!“ Da verfolgte ihn der Irrwisch. In seiner Angst warf er einen Sechser hin, und das Irrlicht ließ von ihm ab.
 
 

Die Sage vom Otternkönig

In den Wäldern bei Hermsdorf lebte ein Otternkönig. Diesen kann man, durch ausbreiten eines weißen Tuches bewegen, seine köstliche Krone darauf abzulegen. Man muss dann, so rasch man kann, damit über das nächste Wasser fliehen, denn der König, der sich seiner Krone beraubt sieht, ruft alsbald mit einen hellen Pfiff alle seine Untertanen zur Verfolgung auf. Wehe, wen sie erreichen, bevor das rettende Wasser im Rücken ist! Sie würden ihn unfehlbar zerreißen. Einem Reiter gelang dies nicht, trotz seines schnellen Pferdes. Er wäre verloren gewesen, wäre ihm nicht der Mantelsack vom Pferde gefallen. Über ihn fielen die wütenden Ottern her und zerrissen ihn in tausend Stücke.
 
 

Die Sage von der Rabsburg

Schatzgräber hätten oft an dem Ort ihr Glück versucht, ja einige hätten ihre Gier nach den von Geistern behüteten Gütern mit dem baldigen Tode büßen müssen. Das Blasen des gespenstischen Burgtrompeters und sein Rufen soll man noch vor wenigen Jahrzehnten in gewissen Nächten bis nach dem mehr als eine halbe Stunde entfernt liegenden Schleifreisen vernommen haben. Um Mitternacht durchirrten dort Ritter, die wegen begangener Untaten keine Ruhe im Grabe fanden, der Sage nach den finsteren Wald. Ein weißes Fräulein spielt im Sagenkranz eine Rolle. Sie füllte am hellen Mittag einem armen, alten Mütterchen, das im Wald Holz suchte, den Korb mit weißen Spänen, die auf dem Heimweg so schwer wurden, dass das Mütterchen sie alle nach und nach wegwarf. Daheim entdeckte es, dass die wenigen Überreste im Korb pures Gold geworden waren. Bollberger Burschen, die um Mitternacht vom Tanz in Albersdorf heimkehrten, und im Übermute das weiße Fräulein riefen, wurden von ihm ein dunkles Gewölbe geführt und mit Wein erquickt, dessen Wohlgeschmack und Feuer sie nicht genug rühmen konnten. Ein Jägerbursche aus Ascherhütte hatte gehört, ein weißes Reh wäre auf dem Rabsberg gesehen worden. Nach dem stand sein Sinn, immer wieder zog es ihn, wie mit unsichtbaren Fäden nach dem unheimlichen Ort.