Chronik der Kleingartenanlage "Roter Strumpf" Teil 1 - 1917 bis 1924

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Die urkundlich belegte Gründung der ersten Gartenanlage in Hermsdorf erfolgte im Jahr 1917. Es handelt sich um die heute noch existierende Anlage „Roter Strumpf“, die diesen Namen aber erst viel später annahm. Die bisher getragenen Namen der Anlage werden an anderer Stelle behandelt.

Hermann Trinks war in Magdeburg als Soldat stationiert. Der 1. Weltkrieg brachte viele Entbehrungen mit sich. In Magdeburg sah er verschiedene Kleingärten, die eine gute Möglichkeit der Erholung, vor allem aber für damalige Zeiten wichtig, zusätzliche Ernährungsmöglichkeiten boten. Gärten waren damals auch in Hermsdorf schon üblich, aber nur in privater Form am eigenen Haus oder auf eigenen Grundstücken. Kleingartenanlagen, deren Gründungen auf den am 10.11.1861 verstorbenen Leipziger Arzt Dr. Schreber, der landläufig als Begründer der Schrebergärten gilt, gab es in Hermsdorf noch nicht. Hermann Trinks regte so die Bildung einer Kleingartenanlage an. Es gelang ihm, weitere Hermsdorfer für dieses Vorhaben zu gewinnen. Bekannte Gründungsmitglieder der ersten Gartenanlage waren: Hermann Trinks, Emil Planer, Oswald Beer, Otto Schöppe und Albin Bröter.

Von der Gemeinde wurde Pachtland zur Verfügung gestellt und in Parzellen aufgeteilt. Die Pioniere dieser Zeit mussten in mühevoller Arbeit Land urbar machen. Damit war die erste Hermsdorfer Kleingartenanlage gegründet. Hier konnten nun auch Hermsdorfer, die keine Grundstücke oder Ländereien besaßen, Pachtland bewirtschaften. Anfänglich als lose Interessengemeinschaft, erfolgte die Gründung des Schrebergartenvereins im Jahr 1918. Der 13.09.1917 ist der Gründungstag der Anlage.

 

     

Quelle Stadtarchiv Hermsdorf

 

Wiedergabe des Dokumentes mit Ergänzungen / Berichtigungen bekannter Daten - siehe unten.

Anlegung von Schrebergärten

Wir beabsichtigen eine Schrebergartenanlage auf unserem, dem Gemeindeanger oberhalb der Reichenbacher Straße gelegenen Grundstück einzurichten. Bevor wir das Weitere unternehmen, bitten wir diejenigen Familien, die gewillt sind, sich einen Garten zu pachten, sich beim Unterzeichnenden zu melden.

Hermsdorf, d. 13.09.1917

gez. Unterschrift  (Richard Goldberg Gemeindevorsteher)

 
Es haben sich gemeldet:
01. Sonnenschein, Albin - Ernststr. 1
02. Koschnitzki, Gustav - Wiesenstraße 10
03. Schlegel, Traugott - Bergstr. 19
04. Hilbig, Albin - Reichenbacher Straße 38
05. Riedel, Karl - Brunnengasse 1
06. Franke, Rudolf - Reichenbacher Straße 28
07. Planer, Emil - Eisenberger Straße 25
08. Schöppe, Otto - Ernststr. 25
09. Hänseroth, Traugott - Bergstr. 3
10.
11. Sachse, Alfred - Schulstraße
12. Vogel, Franz - Schulstraße 35
13. Preußer, Franz - Ernststraße 44
14. Senkel, Albin - Ernststraße 8
15. Biehler, Max - Schillerstraße 6
16. Ille, Lena - Ernststraße
17. Euerlich, Artur - Naumburger Straße
18. Claus, Julius - Oberndorfer Weg
19. Prüfer, Hermann - Bergstraße 31
20. Blödtner, Alfred - Schillerstraße 12
21. Poser, Karl - Ernststraße 44
22.
23. Geidel, Ernst - Markt 2
24. Beyer, Albin - Reichenbacher Str.
25. Bandorf, Theodor - Gartenstraße
26. Riedel, Richard - Naumburger Straße 10
27. Trinks, Hermann - Reichenbacher Straße 30
28. Hay, Helmut
29. Prüfer, Albin - Rodaer Straße 22
Berufe
Fabrikarbeiter
Handarbeiter
Porzellandreher
Fabrikarbeiter
Fabrikarbeiter
Drechsler
Fabrikarbeiter
Fabrikarbeiter
Böttchermeister
-
-
-
Weichensteller
Porzellandreher
Porzellandreher
-
-
pens. Briefträger
Fleischermeister
Kistenfabrikant
Gemüsehändler
-
Dreher
-
-
Briefträger
Fabrikarbeiter
Fabrikarbeiter
Handarbeiter

Einer der häufigsten Familiennamen in Hermsdorf war und ist PLÖTNER. Laut Familiennamenbüchern ist der Name ein auf die Herkunft verweisender Familienname. Dies trifft aber nur bedingt zu, vielmehr ist Plötner eine, aus der Sprache resultierende Abwandlung von Plottner, einen Holz verarbeitenden Beruf, der in etwa mit dem Beruf des Schindelmachers zu vergleichen ist. Dieses Handwerk war traditionell im Holzland und in Hermsdorf ansässig. Im Laufe der Jahre wandelte sich die Schreibweise des Namens. Bekannte Schreibweisen aus der Hermsdorfer Geschichte waren: Plothen - Plothener - Plothner - Blödtner - Plöthner - Plötner. Im Jahr 1912 gab es den Namen 43-mal, im Jahr 2003 waren es 78-mal. Interessant ist, dass die Familie Blödtner (Nr. 20) laut Adressbuch von 1912 und laut dieser Aufstellung noch als Blödtner, im Adressbuch von 1925 aber als Plötner geschrieben wird. Die Wandlung der Schreibweise muss demnach in Hermsdorf zwischen 1917 und 1925 abgeschlossen worden sein.

Durch die noch vorhandenen Unterlagen des Vereins ziehen sich gleichartige Protokollierungen wie ein roter Faden. Immer wieder wird über die mangelnde Bereitschaft zur Mitarbeit an bei Gartenfesten, Instandhaltungs- und Baumaßnahmen berichtet. Ebenfalls von der Zwangsorganisation in Strukturen wie Landes-, Bezirks- oder Kreisverbänden. In einer Mitgliederversammlung wurde per Beschluss eine Mitgliedschaft im Landesverband aufgelöst. Dazu aber später mehr.

Bedingungen für die Einrichtung und Verpachtung der Schrebergärten vom 30.09.1917
Ansicht des Originaldokumentes Quelle Stadtarchiv Hermsdorf

Die Bedingungen lauteten:

  1. Die Herstellung der Gartenanlage erfolgt, um einen dringenden Bedürfnis nach Klein­gärten abzuhelfen.

  2. Die Gärten sollen nicht allein für Gemüsebau Verwendung finden, es kann auch feldmäßiger Anbau betrieben werden und Obst- und Beeren­züchterei angelegt werden.

  3. Die Gartenbesitzer sollen sich zu einer Kolonie (Verein) zusammenschließen. Es soll ein Er­ziehungsverein sein zur Förderung des geistigen und leiblichen Wohles Aller, insbesondere aber der Kinder. Er soll die Familien zusammenschließen, Friede und Eintracht fördern den Familiensinn beleben. Mit der Zeit soll ein Spielplatz angelegt werden. Jugend und Kinderspiele sollen dort eine Pflegestätte finden.

  4. Der Gartenverein soll eine Satzung ausar­beiten. Er soll sich einen Vorstand wählen, der die Geschäfte führt die Gartenwirtschaft fördert und anregt und das gegenseitige Ein­vernehmen und Zusammenarbeiten der Gartenin­haber in die richtigen Bahnen lenkt.

  5. Die Verpachtung der Gärten erfolgt durch die Gemeinde. Sie erfolgt auf unbegrenzte Zeit. Das Pachtjahr läuft von 1.11. bis 31.10. jeden Jahres. Jeder Partei steht das Recht zu, das Vertragsverhältnis ¼ Jahr vor Ablauf des Pachtjahres aufzukündigen. Bei Aufhebung des Pachtverhältnisses ist der Garten wie er geht und steht, d.h. mit allen Einrichtungen in ordnungslässiger Beschaffenheit zurückzugeben. Wenn der Pächter die Vertragsbestimmungen nicht erfüllt und sich den Anordnungen des Vor­standes des Schrebergartenvereins nicht fügt, kann der Pachtvertrag jederzeit gekündigt werden.

  6. Eine Weiterverpachtung oder Verkauf der Garteneinrichtungen ist nur mit Genehmigung der Gemeindevertretung zulässig.

  7. Der Preis für den qm gepachtetes Gartenland (10 X 35 = 350 qm.) soll bis auf weiteres 10 Pfennig nicht übersteigen. Die Festsetzung unterliegt der Beschlussfassung durch den Gemeinderat.

  8. Die Umzäunung der Gartenanlage soll möglichst bald erfolgen. Bis dahin soll jeder Pächter für Schutz seines Gartens selbst Sorge tragen.

Hermsdorf, S.A., den 30.September 1917.

Der Gemeindevorsteher
gez. Reinhold Goldberg

Hermsdorf gehörte bis 1920 zu Sachsen-Altenburg und wurde erst dann Thüringen. Regierungssitz war Altenburg, in Eisenberg befanden sich ein Amt und ein Gericht, der Kreis war Roda.

Aus der Zeit der Vereinsgründung bis Mitte der 1920-er Jahre liegen keine Dokumente vor. In der Jubiläumsfeier zum 20. Jahrestag der Vereinsgründung berichteten damals noch lebende Gründungsmitglieder von der schweren Zeit der Errichtung der Anlage.

Es gibt aus dieser Zeit auch keine Angaben über die Größe, Anzahl der Gärten und der Mitgliederzahl. Fest steht nur, dass die Uranlage wesentlich kleiner war und in den Jahren danach mehrfach erweitert wurde. Auch zu den Vorständen sind von 1917 bis 1927 kaum Angaben bekannt.

Aus dem Kassenbuch von 1929 bis 1963 gibt es aus dem Jahr 1929 nachfolgende Mitgliederübersicht:

01. Diener, Hermann
02. Planert, Emil
03. Franke, I.
04. Hüllner, Karl
05. Bahndorf, T.
06. Bröter, Albin
07. Geidel, F.
08. Prüfer, A.
09. Fischer, Os.
10. Bühler, M.
11. Hilbig, Albin
12. Hühn, A.
13. Riedel, K.
14. Buchta, G.
15. Vogel, E.
16. Trügner,

17. Koschnitzki, G.
18. Kraft, R.
19. Beyer, A.
20. Putzer, F.
21. Seide, Otto
22. Geithe, Walter
23. Nölle, R.
24. Pfeiffer, E.
25. Hänseroth, Emma
26. Hänseroth, E.
27. Trinks, Hermann
28. Schöppe, Otto
29. Gräfe, R.
30. Sonnschein, A.
31. Undeutsch, P.
32. Gentsch, Emil

33. Sachse, A,
34. Franke, Os.
35. Schubert, O.
36. Findeiß, Max
37. Tennhardt, H.
38. Plötner, E.
39. Plötner, W.
40. Sieler, Otto
41. Schmalz, O.
42. Riedel, M.
43. Löffler, M.
44. Schmidt, E.
45. Hoppe, Walter
46. Schlegel, H.
47. Beer, Oswald
48. Hädrich, E.

49. Petermann, E.
50. Mörschner, Walter
51. Plötner, O.
52. Petermann, O.
53. Gleichmann, E.
54. Beyer, H.
55. Schwalbe, W.
56. Petermann, H.
57. Böhme, R.
58. Meister, Arno
59. Diener, G.
60. Otto, Alma
61. Tänzer, A.
62. Martin, August

Es kann davon ausgegangen werden, dass die vorstehende Nummerierung nicht den Gartennummern entsprach. In der Auflistung sind die Vornamen alle abgekürzt. Soweit Zuordnungen möglich waren, wurden diese hier ergänzt.

Die mit großen Mühen organisierten Gartenfeste der Anlage waren vor dem 2.Weltkrieg und danach bis in die 1980-er Jahre in Hermsdorf legendär. Noch heute schwärmen viele Hermsdorfer davon. Den ersten Nachweis über ein Gartenfest gibt es aus einem Versammlungsprotokoll vom 23.07.1927. Nach der Klärung organisatorischer Probleme kam die Vorbereitung des Gartenfestes zur Sprache. Dieses fand auch statt und wurde in der darauf folgenden Versammlung am 13.08.1927 ausgewertet. In einem Brief dankte Reinhold Goldberg (Standesbeamter und von 1912 bis 31.07.1924 Bürgermeister von Hermsdorf) für die Einladung zum Gartenfest. Es wurde für den Herbst ein Auskegeln beschlossen und durchgeführt. Über alle Jahre hatten diese Gartenfeste stets mehrere Funktionen. Sie dienten der Geselligkeit und dem Zusammenhalt in der Anlage, hatten aber auch gleichzeitig finanzielle Hintergründe. Durch die erwirtschafteten Einnahmen konnten Vorhaben des Vereins realisiert werden.

Protokollauszug aus der Gemeinderatssitzung vom 13. bzw. 16.10.1924

13.10.1924
Anwesent sind 9 Mitglieder sowie Herr Gemeindevorsteher Goldberg

fehlen: Strobel und Gruner.

Bau- und Konzessionsgesuch des Schrebergartenvereins.

Auf Vorschlag des Herrn Vorsitzenden werden die Gesuche getrennt behandelt und zwar:

a) Baugesuch, in welchem um nachträgliche Genehmigung zur Aufstellung einer Halle gebeten wird.

Herr Gemeindevorsteher führt aus, in dem noch zu errichtenden Vertrag festzulegen, dass die Halle Eigentum des Vereins bleibt, aber nicht ohne Genehmigung des Gemeinderates abgebrochen werden darf. Ge­tadelt wird allgemein, dass das Gelände zu anderen Zwecken als zu dem seines Ursprungs verwandt wird. Im Hinblick darauf, dass die Halle schon errichtet ist, schlägt Herr Vorsitzender vor, sich mit der Errichtung derselben abzufinden. Ferner festzulegen, dass der Abbruch nur mit Genehmigung der Gemeinde erfolgen darf. Bei ev. Verwendung des Platzes für andere Zwecke kann von der Gemeinde die Entfernung verlangt werden. Wird die Halle entfernt, ist der Platz in seinen naturgemäßen Zustand wieder zu versetzen.

Der Gemeinderat stimmt diesem zu, mit der Maßgabe, dass die Aussetzung des Fachwerkes einer weiteren Genehmigung bedarf. Weiter wird die Baukommission beauftragt, wegen der beabsichtigten Verwendung eines Schrebergartens als Spielplatz eine Besichtigung an Ort und Stelle vorzunehmen. Besonders wird darauf hingewiesen, dass der Verein das Recht zur Einziehung eines Gartens nicht hat.

b) Konzessionsgesuch.

Herr Menger berichtet, dass der Ver­waltungsausschuss vorschlägt, eine dauernde Konzession nicht zu er­teilen, wohl aber dem Verein bei etwaigen Festlichkeiten auf die Tageskonzession zu verweisen. Der Gemeinderat pflichtet diesem bei.

Nachrichtlich Weise.

Auszug aus der Sitzung des Bauausschusses vom 16.10.1924.


Anwesend sämtliche Mitglieder
Außer Hüsemann u. K. Peter.
Anwesend Gemeindevorsteher Goldberg.

Besichtigung der Schrebergartenhalle

Der Gemeinderat hat den Bauausschuss beauftragt, die Angelegen­heit des Schrebergartenvereins zu besichtigen und zu erledigen. Der Schrebergartenverein wünscht, dass der nebenan liegende Schrebergarten zu dem Platz zugelegt wird, da letzterer nicht mehr ausreicht, bei irgendeiner Festlichkeit sämtliche Mitglieder und Besucher aufzu­nehmen. Herr Gemeindevorsteher Goldberg, ebenso die Herren Lauckner und Menger erklären sich einverstanden und haben nichts dagegen, wenn der anliegende Garten zum Spielplatz hinzukommt, noch dazu, da verschiedene Gärten frei werden und die Interessenten eines Schreber­gartens nicht hintenangesetzt würden. Auch sei es zu begrüßen, dass der Schrebergartenverein ein Sonnenbad errichtet. Mitglied H. Martin, möchte die Angelegenheit nochmals zurückgestellt wissen, da er mit seiner Fraktion erst nochmals Rücksprache nehmen müsse. Der Ausschuss stimmt dem zu.

Nachrichtlich Fiedler.

Quelle Verein

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