Meine Erinnerungen an die letzten Kriegstage in Hermsdorf

Geschrieben von Irene Schmidt geb. Fabian jetzt Hagen


Das Deutsche Rote Kreuz hatte im Keller des Rathauses Hermsdorf eine Sanitätsstation. Der Leiter war Dr. Wenske und der DRK Chef Albrecht [Albrecht Schröder Red. ] oder Albert Schröder und einige DRK Helferinnen.
Am 12. oder 13. April 1945 [13.04.1945 Red.] kamen die Amerikaner. Wir alle, auch die Polizei, musste auf den Rathausplatz gehen. Nach einiger Zeit sah ich, wie ein Mann immer auf die Amis einredete und dann auf den Polizisten Senf zeigte. Die Amis stürzten auf Senf zu, nach einer kurzen Debatte stellten sie ihn an die Mauer zum Grundstück Beier, mit dem Gesicht zur Mauer. Dann schossen sie mehrmals auf Herrn Senf. Später schleppten sie ihn in den Feuerwehrgeräteschuppen. Spät abends wollte mein Vater, der Brandmeister der Feuerwehr war, Sachen in den Geräteschuppen bringen, da hörte er Stöhnen und fand Herrn Senf. Mein Vater rief mich aus dem Sanikeller und sagte mir, dass Herr Senf noch lebt. Daraufhin sagte ich es Herrn Schröder, der ging zu den Kommandanten der Amis und fragte, ob sie die Genfer Konvention anerkennen. Auf das „Ja“ der Amis ist ein zum Tode verurteilter, der das [Hinrichtung / Erschießung Red.] überlebt, frei. Wir haben dann Herrn Senf in den Saniraum geholt, seine Wunden versorgt. Es waren mehrere Schusswunden, 1 Lungendurchschuss links, 1 Schuss ins Bein, einer durch die Hand, den im Oberschenkel bemerkten wir, als wir ihn die Hose wieder anziehen wollten. Die Amis hatten vergessen, dass Herr Senf mit dem Gesicht zur Wand stand, das Herz deshalb auf der anderen Seite war und das war sein Glück.
Nach einigen Tagen haben wir ihn und noch einen Verwundeten ins Krankenhaus Eisenberg gebracht. Herr Senf hat Gott sei Dank noch lange überlebt.
Das war unser erster Eindruck von den Amerikanern.
Im Juni oder Juli mussten die Amis Thüringen verlassen und die Russen [Einmarsch der Russen 04.07.1945 Red.] kamen. Ich arbeitete im Krankenhaus Eisenberg. Die neue Besatzung führte sich gleich richtig ein. Die Begrüßung waren Schüsse in den Eingangsbereich. Wer weiß was da alles noch kommt. Und es kam! Nach mehreren Übergriffen auf Frauen habe ich die Klinik verlassen und in Hermsdorf als Helferin der Gemeindeschwester gearbeitet. Als die Russen mehrere Hermsdorfer, darunter das Ehepaar Göbel, den Sohn vom Gärtner Bauer, die anderen weiß ich nicht mehr, einfach von der Straße weg ins ehemalige Ostlager verschleppten. Viele der Angehörigen klagten, dass die Verhafteten kaum Sachen mitnehmen konnten. Gärtner Bauer wurde im Turnhemd, Turnhose und Pantoffeln mitgenommen.
Woher ich die Frechheit oder den Mut nahm, mit beigelegten DRK Ausweis, der einen russischen Stempel hatte, zum Ostlager zu fahren und den Posten ganz frech sagte: „Ich muss hier rein!“, ihnen den russischen Stempel vor die Nase hielt, ließen sie mich rein.


Im Keller fragte ich, wer ist hier, wer braucht etwas. Göbels gaben mir den Schlüssel, damit ich Jacken, Geld und Essen holen konnte. Gärtner Bauer bekam etwas zum anziehen. So bin ich 2 Mal gefahren. Bei dritten Mal waren neue Posten da, die schauten den Ausweis genauer an und konnten wahrscheinlich lesen, was darunter stand und da waren meine Hilfsfahrten zu Ende.