Horst Schlegel - Sportbiographie vom Landjugendsportler zum Deutschen Spitzensportler
1936 bis 1954
Autor Horst Schlegel 1996
Wir schreiben das Jahr 1936.
Die Olympischen Sommerspiele in Berlin haben die Menschen nicht nur in
Deutschland, sondern in der ganzen Welt in einen sportlichen Enthusiasmus
versetzt. Auch die Menschen in Hermsdorf / Thüringen wurden von dieser
überschwänglichen Freude erfasst. Leider gab es in dieser Zeit noch keine
Fernsehübertragungen. Nur über den Rundfunk und aus den Zeitungsberichten
konnte man sich über die täglichen Sportabläufe informieren. Oftmals
überschlugen sich die Meldungen förmlich, wenn Deutschland eine Goldmedaille
wieder erringen konnte oder wenn von Jesse Owens berichtet wurde, der in l00
Meter, 200 Meter, Weitsprung und in der 4 x l00 Meter- Staffel vier
Goldmedaillen für die Vereinigten Staaten von Nordamerika errang. Er war der
Athlet unter den Athleten dieser Olympischen Sommerspiele.
So wurden die Olympischen
Sommerspiele 1936 in Berlin für den 16-jährigen Realschüler Horst Schlegel -
Sohn des Fleischermeisters Wilhelm Schlegel aus Hermsdorf / Thüringen -
auslösender Faktor seiner sportlichen Laufbahn.
Beim Turnerbund Hermsdorf /
Thür. widmete sich Horst Schlegel mit jugendlichen Freunden turnerischen
Übungen, Feldhandball und der Leichtathletik, was man damals darunter verstand
und zwar auf Platzverhältnissen, die wiederum nach heutigen Erkenntnissen
überhaupt keine waren. 1. Vorstand war Emil Gentsch. Er war Abteilungsleiter in
der HESCHO in Hermsdorf / Thüringen. In dem Verein wurde vorwiegend
Geräteturnen, Gymnastik für Jung und Alt, Leichtathletik sowie
Schwimmunterricht zum erlernen des Schwimmens vermittelt und so viele, junge
und ältere Menschen erfreuten sich darüber, sich turnerisch betätigen zu
können. Dieses sogenannte Sportgelände befand sich unterhalb von dem ehemaligen
Schützenhaus, der Gaststätte, deren Besitzer Paul Geilert war. Im Grunde
genommen glich dieser Sportbereich eher einer Stoppelackerwiese, wo auch
anderweitige Festveranstaltungen jeglicher Art stattfanden. Für die Menschen
von damals wurde großzügig über den Zustand hinweggeschaut, wichtig war es,
einen Ort zu haben, um Sport überhaupt betreiben zu können. Auf dieser Bodenfläche
spielten die Hermsdorfer Feldhandball im Bezirksklassenbereich und nahmen sogar
einen beachtlichen Platz im Spitzenbereich ein. Namen wie:
- Helmut
Opel
- Herbert
Studenick
- Arthur
Wetzel
- Willi
Schilling „Jau“
- Karl
Bratfisch
- Walter
Hänseroth „Süße“ aus Schleifreisen (am 09.04.1945 bei den Luftangriffen
auf Hermsdorf in der HESCHO ums Leben gekommen
mit ihrer brillanten
Spielweise sind vielen, alten Hermsdorfern noch in guter Erinnerung. Im Tor
stand Werner Weidauer, der in so manchem Spiel die gegnerischen Angriffsspieler
zum Verzweifeln brachte.
Der Schützenhaussaal war so
konstruiert, dass auch turnerische Veranstaltungen zu jeder Jahreszeit
abgehalten werden konnten. So besaß Hermsdorf über hervorragende Geräteturner,
von denen
- die
Brüder Max und Karl Leisering
- die
Brüder Werner und Edmund Hesse sowie
- Hermann
Stahl zu nennen sind.
So konnten beim Deutschen -
Turn - und - Sportfest in Stuttgart 1933
Max Leisering im 12 Kampf,
bestehend aus 7 Geräteübungen, 2 Bodenübungen, 3 leichtathletischen
Disziplinen, 100 Meter, Weitsprung und Schleuderballweitwurf, den 55. Platz
und sein Bruder Karl Leisering im 12 Kampf den 44.Platz erringen.
Durch diese Erfolge wurde
Hermsdorf im Turnbereich Thüringen bekannt.
Max Leisering, der auch ein
vielseitig begabter Leichtathlet war, lief die l00 Meter Strecke oftmals unter
12 Sek. bis hin zu 11,5 Sek., die für damalige Verhältnisse aufhorchen ließ.
Auch als Kugelstoßer, Steinstoßer, Diskuswerfer und Weitspringer erzielte er
beachtliche Weiten. In bestechender Manier schleuderte er den Schleuderball
oftmals über 55 m. Er war ein talentierter, junger Sportler, der in Hermsdorf
leider sein Können nicht zu noch größeren Leistungen hat umsetzen können. Was
wäre aus diesem veranlagten Leichtathleten Max Leisering geworden, wenn er in
Jena sich einem Verein hätte anschließen können. Seine beruflichen Qualitäten
den Firmen Carl Zeiss oder Otto Schott zuzuwenden, wäre jederzeit machbar
gewesen.
Max Leisering war es, der
dem talentierten jungen Sportler Horst Schlegel 1937 folgenden Rat gab:
Hier in Hermsdorf kommst du
unter den gegebenen Sportverhältnissen nicht weiter, schließ dich dem 1. SV
Jena an. In Jena findest du unter der Anleitung von erfahrenen
Spitzensportlern, um nur einen zu nennen, Rudolf Klupsch, Olympionike über 400
Meter in Berlin 1936, 8 x Länderkampfteilnehmer, die Trainingsmöglichkeiten
und vor allem die gewünschten Lauf- Wurf- und Sprunganlagen, die man haben
muss, um sinnvoll zu trainieren und erfolgreich zu sein.
Schlegel wurde in Jena mit
offenen Armen beim 1.SV Jena unter seinem 1.Vereinsvorsitzenden Herrn Dr. Liebmann
aufgenommen. Zwischen dem großen, erfolgreichen Sportsmann Rudolf Klupsch
entwickelte sich sehr schnell eine sportliche Freundschaft, wie sie in den
Worten nicht treffender gesagt werden konnte:
Welch ein Glück, eines
Freundes Freund zu sein! Diese Freundschaft hat bis zum Tod dieses großen,
aufrichtigen, erfolgreichen Sportsmann Rudolf Klupsch bestanden. Er war auch
ein Vorbild gegenüber jedermann. Kurz vor seinem Tod im Jahre 1992 konnte der
Franzose Perdinaut in Auswertung von Fotos, die den Zieleinlauf bei den
Deutschen Leichtathletikmeisterschaften 1936 in Berlin kurz vor Beginn der
Olympischen Sommerspiele zeigen, Rudolf Klupsch als den wahren Sieger des 400
Laufes eindeutig unter Beweis stellen. Rudolf Klupsch wusste viel zu genau,
dass er damals um seinen Meistertitel im 400 Meter Lauf gebracht wurde. Ich
sage hier, bewusst gebracht wurde!
Im Zusammenhang damit wird
auf den Beitrag von Herrn Dr. Jörg Lölke, Friedrich Schiller Universität Jena,
vom 11.05.1992, Thüringer Olympiageschichten, noch einmal verwiesen.
Der Vereinswechsel von
Schlegel von Hermsdorf / Thür. nach Jena zum 1.SV Jena erlang noch mehr an
Bedeutung durch Fritz Huhn. Huhn war Mitglied bei VFB Jena und zugleich auch
Trainer der Deutschen Hochsprungspitzensportler. Beruflich war er Pädagoge und
Direktor an einer Schule in Jena. 1923 und 1926 konnte er bei den Deutschen
Leichtathletikmeisterschaften im Hochsprung die Meistertitel erringen. 1928
nahm er in Amsterdam an den Olympischen Spielen teil und trug 5x das
Nationaltrikot. Unter seiner Trainingsmethode konnte sich Schlegel erst so
richtig entfalten. Bei den Gebietsmeisterschaften im Jahre 1938 in Erfurt wurde
der gebürtige Hermsdorfer überraschend Meister. Ein Jahr später bei den Mitteldeutschen
Leichtathletikmeisterschaften in Halberstadt kam er zu Meisterehren und bei
den Deutschen Meisterschaften in Berlin auf einen beachtlichen 7.Platz.
Aufgrund dieser ausgezeichneten Erfolge im Jahr 1939 wurden die Vorbereitungen
für ein intensives Wintertraining 1939 - 1940 von Fritz Huhn in die Wege
geleitet, wo auch Hermann Nacke vom TSM Schott und andere Hochspringer aus
Deutschland teilnahmen. Der Erfolg dieser Arbeit zeigte sich bei den kommenden
Leichtathletikveranstaltungen des Frühjahres 1940 in Jena, Weimar, Erfurt,
Halle und Magdeburg, um nur einige von den Austragungsorten zu nennen. Bei den
Deutschen Leichtathletikmeisterschaften 1940 in Berlin aber kamen ausgerechnet
zwei seiner Schüler, die beiden Jenenser jungen Hochspringer Nacke und Schlegel
zum Doppelerfolg über die älteren Hochspringer. Das Durchschnittsalter der
ersten drei im Hochsprung war 19,5 Jahre, der 20-jährige Nacke vom TSM Schott
Jena siegte mit 1.93 Meter vor dem ebenfalls 20-jährigen Schlegel vom 1.SV Jena
und dem 19-jährigen Koppenwallner vom Postsportverein München, die beide 1.90 Meter
glatt übersprangen. Welch ein sportlicher Erfolg für den gebürtigen
Hermsdorfer, Deutscher Vizemeister im Hochsprung zu sein. Diese gesprungenen
Höhen der 3 Erstplazierten konnten sich damals auch international sehen lassen,
weil sie von verbesserungsfähigen, jungen Männern mit einer neuen, modernen
Sprungmethode erreicht wurden. So ist die Bodenbeschaffenheit einer Aschenbahn
im Hochsprungbereich von damals zu heute wie Tag und Nacht zu vergleichen. Der
große Nachteil beim Aschenbahnhochspringen lag im Absprungbereich. Durch die
wiederholten Absprünge wurde gerade diese Stelle der Aschenbahn zu einer
Aushöhlung, Vertiefung bis hin zu einem Loch ausgetreten. Auch wenn versucht
wurde, diese Absprungstelle wieder mit Asche auszufüllen, festzuklopfen und
festzustampfen, so wurde beim nächsten Sprung die Vertiefung noch größer. Die
geballte Sprungkraft des betreffenden Springers anstatt diese nach oben über
die Sprunggelenke, Hüfte und Rücken umzusetzen, verpuffte sie nach unten in
die Erde. Der zweite Nachteil für die Aschenbahnspringer zeigte sich im Landen
in der Sandgrube. Um jegliche Verletzungen zu vermeiden, musste der Springer
durch ein katzenähnliches Verhalten sich in die Sandgrube förmlich hineinfallen
lassen. Diese Verhaltensweise musste gekonnt sein, um die Wucht des
Körpergewichts beim Landen abzublocken, zum großen Vorteil für die
Sprunggelenke und die Rückenpartie.
Der Olympiasieger von 1936
in Berlin im Hochsprung hieß Johnson. Dieser amerikanische Superathlet mit
seiner eleganten, ausgefeilten, modernen Sprungtechnik - Rollstil - haben
Schlegel so fasziniert und er strebte an, eines Tages genau so zu springen.
Alle drei Amerikaner in Berlin sprangen den modernen Stil und waren den anderen
Hochspringern bei weitem überlegen, die noch den alten Scherensprung
anwendeten. Die jungen Springer wie Nacke, Schlegel und Koppenwallner waren
alle drei Naturtalente und beherrschten bereits den modernen, neuaufkommenden
Hochsprungstil wie die Amerikaner Johnson, Melwin, Walker und Ernyter. Nun war
es nur noch eine Zeitfrage, wer von diesen 3 talentierten Deutschen - unter der
erfahrenen Hochsprungleitung von Fritz Huhn - in der Lage war, über die 2 Meter
Marke zu springen. Gustav Weinkötz vom PSV Köln - Scherenspringer - war es
erstmals 1937 in München gelungen, den Deutschen Hochsprungrekord auf 2.00 Meter
zu schrauben. Hermann Nacke gelang im Jahr 1944 in Kiel, den Deutschen Rekord
auf 2.01 Meter zu verbessern. So verbuchten die Jenenser Leichtathleten bei den
Deutschen Leichtathletikmeisterschaften in Berlin noch weitere, beachtliche
Erfolge: Luise Lockemann vom VFB Jena erreichte im Hochsprung der Frauen einen
beachtlichen 5.Platz mit 1.54 Meter gegenüber der Siegerin Gunne Friedrich aus
Schweinfurt, die mit 1.6o Meter deutsche Meisterin wurde. Margot Kalbe vom 1.
SV Jena wurde 6. im 200 Meter Lauf der Frauen in 26,8 Sek. vor der Siegerin
Grete Winkels aus Köln, die mit 25,6 Sek. zu Meisterschaftsehren kam.
Die 400 Meter Staffel der
Männer vom 1.SV Jena mit Rudolf Klupsch, K.Müller, Hippler und Peinel wurden
Deutscher Vizemeister in der beachtlichen Zeit von 3.21,6 Min. Sie er wurde der
Luftwaffen-SV Berlin mit den Läufern von Ende - ein gebürtiger Jenenser -, Grau,
Ahrens und Linnhoff, mit einer Siegerzeit von 3.18,4 Sek.
Mit diesen hervorragenden
Leistungen in Berlin konnten die Jenenser Sportvereine ihre Spitzenstellung in
der Mitteldeutschen Leichtathletik ausbauen. So wurde der große Erfolg für
Nacke und Schlegel dadurch belohnt, dass beide für die Länderkämpfe gegen
Schweden / Finnland und Deutschland in Helsinki 1940 nominiert wurden. 10 Tage
später starteten beide in Turin gegen Italien und anschließend in Budapest
gegen Ungarn. Zum Länderkampf gegen Rumänien 1941 in Bukarest vertrat Schlegel
als Soldat die Deutschen Farben. Durch den Krieg war es den talentierten
Athleten nicht mehr möglich, weiter intensiven Sport zu betreiben und auch für
die Olympischen Spiele brachte er ein bitteres Ende. Schlegel wurde im Oktober
1940 zur Luftwaffe (Flak) eingezogen und Nacke bekam 1942 den Stellungsbefehl
zur Kriegsmarine nach Kiel.
Bei den Deutschen
Leichtathletikmeisterschaften in Berlin 1941 konnte Schlegel einen beachtlichen
4.Platz und 1942 den 6.Platz im Hochsprung erringen. Nacke und Schlegel
überlebten das Inferno des Schreckens. 1945 kam Horst Schlegel in Italien in
englische Kriegsgefangenschaft und wurde Anfang 1947 in die Heimat entlassen. Der
Krieg hat auch in Hermsdorf / Thüringen unsagbares Leid über viele Familien
gebracht. Eine große Anzahl von Sportfreunden sind aus dem Krieg nicht mehr
zurückgekehrt. In dieser trostlosen Zeit sahen viele junge Menschen den Sport
als ein positives Element an, dadurch nicht an die Schrecken des Krieges
erinnert zu werden. Willy Planer war der Mann der Stunde in Hermsdorf / Thür.,
der dem Sport wieder neue Impulse gab. Der Neubeginn der Hermsdorfer
Feldhandballer wurde dadurch gekrönt, innerhalb von 2 Jahren in der
Bezirksklasse zu spielen, was auf die gute und harmonische Zusammenarbeit
zwischen Planer und den Spielern zurückzuführen ist. Horst Schöppe, der in der
Kriegsgefangenschaft in Frankreich 19451 bis 1949 des Depot 151 Marseille
Feldhandball spielte, wurde unter seinen Handballfreunden als der
erfolgreichste Schlussmann in diesem Lagerdistrikt genannt. Im März 1949 wurde
er in die Heimat entlassen und wie es nicht anders sein konnte, trat er in die
neugegründete Betriebssportgemeinschaft „Einigkeit“ in Hermsdorf ein. Mit
großer Freude wurde dieser Neuzugang begrüßt, weil Schöppe eine große
Verstärkung für die Mannschaft war. Was Horst Schöppe als Tormann so
auszeichnete war sein blitzartiges Reaktionsvermögen, sich im entscheidenden
Moment auf die Wurftechnik des gegnerischen Angriffsspielers einzustellen. Eine
Eigenschaft, die nur bei Klassetorstehern zu finden ist. Ohne solch eine
Veranlagung kann im weitesten Sinne des Sportes, keine Spitzenleistung erbracht
werden. Sicherlich werden sich heute noch ältere Einwohner von Hermsdorf über
der Neuanfang des Sportes nach dem Krieg erinnern können, und zwar an Namen wie:
- Hans
Heyer
- Erwin
Eberlein
- Lothar
Teller
- Heinz
Wegat
- Kurt
Meinhold
- Erwin
Grützner
- H.
Rosenkranz
- Kurt
Gerasch
- Horst
Stumme
- Heinz
Masak
- Horst
Schlegel und
- Horst
Schöppe.
Auch Horst Schlegel fand in
dem Sporttreiben des Handballspielens wieder so viele, positive Lebenselemente
und Freude an der guten Sache des Sports, so dass er sich wieder auf die
Leichtathletik besann und zu den ausgeschriebenen Thüringer
Leichtathletikmeisterschaften 1948 an den Start ging. Aus der Lamäng und ohne
jegliches Training wurde Schlegel Meister im Hochsprung und überraschend auch
Meister im Speerwerfen. Mit diesem Erfolg wurde man in Jena, unter seinen alten
Sportfreunden, wie Rumü Müller und Max
Keßler, wieder auf ihn aufmerksam. Der 1.SV Jena existierte nach 1945 nicht
mehr und an seine Stelle trat die BSG "Motor Jena". Rumü Müller als
Betriebsleiter der Fa. Zeiss war sich über die große Aufgabe des Sports nach
dem Krieg voll bewusst und versuchte an die Erfolgsserien der Vergangenheit,
dies in Jena weiter fortführen zu können. In Hermsdorf hat sich nach dem Krieg
nichts getan, um dort eine echte Sportanlage zu schaffen. So wurde Schlegel
Mitglied bei BSG Motor Jena und die Erfolge in den kommenden Jahren blieben nicht
aus. Auch hier ergab sich rein zufällig, dass Fritz Huhn den Krieg überlebte
und in Jena, in seiner Heimatstadt, sich für den Nachkriegssport zur Verfügung
stellte. Fritz Huhn erkannte bei Schlegel die Vielseitigkeit sportlicher
Veranlagungen in der Leichtathletik. Kurzfristig trainierte Huhn mit Schlegel
den Speerwurf. Huhn, ein vielseitig erfahrener Mann auf sämtlichen
leichtathletischen Disziplinen brachte es innerhalb kurzer Trainingsanweisungen
fertig, Schlegel zum Speerwerfer zu machen. Der Anlauf zum Umsetzen und Abwurf
des Speeres war so weit in einem harmonischen Gesamtablauf eingebettet, dass beim
Training Weiten zwischen 55 Meter bis 60 Meter erzielt wurden. Unter den
gegebenen Nachkriegsbedingungen Leistungssport mit entsprechenden Ergebnissen
zu erzielen, war beachtlich. So wurde bei den Ostzonen - Meisterschaften in
Jena 1949 nicht der hoch favorisierte Karl Kröninger aus Leipzig Meister,
sondern der bekannte Hochspringer Horst Schlegel, der unbekannte Speerwerfer
Schlegel aus Jena, der gebürtige Hermsdorfer. Keiner hat mit diesem.
Erfolg weder in Jena noch unter seinen
Freunden in Hermsdorf gerechnet. Das Jahr 1950 wurde ein Jahr der Besinnung und
sportlicher Zurückgezogenheit. Es war auch das Jahr, wo Schlegel den Bund der
Ehe einging. Im Frühjahr 1951 begann er, sein Training in Jena wieder
aufzunehmen und konnte bei den Thüringer Leichtathletikmeisterschaften den
Titel im Speerwerfen erringen. Jetzt galt es, sich voll und ganz auf der in
Erfurt stattfindenden DDR - Leichtathletikmeisterschaften vorzubereiten.
Nachdem Schlegel immer ein Individualist war und von ideologischen Denkweisen
nicht viel hielt, war die gesamte DDR-Speerwerfelite erschienen und war auch
davon überzeugt, dass einer der ihrigen den Titel holen würde. Es kam alles anders
als diese Herren Sportfunktionäre und ihre Trainer geglaubt hatten. Der Sieger
war auch diesmal wie 1949 Horst Schlegel von der BSG Motor Jena. Dieser Erfolg
unter den gegebenen Nachkriegsverhältnissen war nur möglich durch die
Anweisungen sportlicher Erfahrungswerte, die ein Fritz Huhn seinen Schülern
geben konnte. Huhn war nicht nur Pädagoge, sondern im Zusammenhang damit auch
ein ausgezeichneter, vielseitiger Leichtathletik-Trainer.
Nachdem die politische
Entwicklung in der ehemaligen DDR 1953 sich immer mehr zu einer nicht mehr
abzuschätzenden, unkontrollierbaren Entwicklung hinbewegte, verließ Horst
Schlegel mit Frau und Kind seine geliebte Thüringer Heimat und fand bei seinen
Eltern in Bayern erste Hilfe und Aufnahme.
Auch ein Fritz Huhn zog die
Konsequenzen und verließ über Nacht mit seiner Familie die geliebte Vaterstadt
Jena und war zuletzt in der Nähe von Heidelberg wohnhaft. Er verstarb im Jahr
1990.
Der Turn- und Sportverein
1893 Taufkirchen / Vils war glücklich darüber, einen Spitzensportler in seinem
Verein aufnehmen zu können. Im gleichen
Jahr seiner Flucht - 1953 -
wurde Schlegel vom DLV die Bestenlistennadel für den 10. Besten Speerwerfer Gesamtdeutschlands
verliehen. Auch wurde er mit der Silbernen Ehrennadel des Bayerischen Leichtathletikverbandes
geehrt. An verschiedenen Leichtathletikveranstaltungen im Oberbayerischen und
Bayerischen Raum startete Schlegel erfolgreich.
Zu den Bayerischen
Leichtathletikmeisterschaften 1954 in Bad Reichenhall wurde er Bayerischer- und
Oberbayerischer Meister im Hochsprung. Im Speewerfen konnte er einen
beachtlichen 3.Platz belegen.
Der Turn- und Sportverein
1893 Taufkirchen / Vils wurde als Verein über dis Landesgrenzen bekannt.
Am Schluss dieser
Sportbiographie soll auf folgende Sportbegegnung hingewiesen werden:
Beim Länderkampf 1940 in
Budapest gegen Ungarn wurde auch der Weltrekordmann über 400, 800 und 1000
Meter, und zwar Rudolf Harbig, nominiert. Auf dem Foto sieht man links Rudolf
Harbig, in der Mitte Horst Schlegel in der Donaumetropole Budapest. Eine
Aufnahme, von der Horst Schlegel immer wieder tief beeindruckt und zugleich
auch stolz ist, mit solch einem hervorragenden Sportsmann wie Rudolf Harbig
eine sportliche Freundschaft gehabt zu haben. Bei Rudolf Harbig galten die englischen
Worte immer " Fairplay ", denn nur solche Einstellung und Haltung
zeichnen den wahren Sportsmann aus. Rudolf Harbig fiel 1944 an der Ostfront.
84416 Taufkirchen / Vils
30.06.1996
gez. Horst
Schlegel |